144 - Der Flug der Todesrochen
eurer Rückkehr werde ich mit Veda’lin’mawils Aura verschmelzen, um herauszufinden, was ihn zu diesem Verhalten treibt.)
Die Verbindung wurde unterbrochen, aber Thgáan ging der Sache weiter auf den Grund. Er konzentrierte sich einfach auf die drei Lesh’iye, die den Transport zum Bergwerk der Narod’kratow begleiteten. Die Verbindung zu seinen Truppen war so stark, dass er durch ihre Sinne wahrnehmen konnte, was sie hörten und sahen.
Der Bereich, den er dafür zur Verfügung stellte, wurde wenige Mikrosekunden später von Geräuschen und visuellen Reizen überflutet. Die aus drei verschiedenen Perspektiven zusammengeführten Informationen schufen das Bild eines verlassenen Dorfes, in dem zwei Daa’muren miteinander stritten.
Einer von ihnen hielt ein primitives, aus getrockneten Pflanzenhalmen geformtes Abbild der Primärrassenvertreter in Händen und gestikulierte wild mit den Armen. Der andere nahm gerade den Aurenverstärker von seinem schuppigen Kopf.
Im Hintergrund schlängelte sich der Transportorganismus in ein mit Holzbalken abgestütztes Loch, das tief in den Berg hinein führte. Weitere Daa’muren kümmerten sich um die geregelte Unterbringung der Eier, ohne auf den einige hundert Meter entfernten Zwist zu achten.
Thgáan wusste noch nicht recht, wie er diesen Vorfall einordnen sollte, befahl aber den drei Lesh’iye, zukünftig nicht nur nach Feinden Ausschau zu halten, sondern auch das Verhalten von Veda’lin’mawil zu beobachten.
Dass ein Modell erster Ordnung einen seiner Herren observierte, dazu noch aus eigenem Antrieb, war natürlich ein einmaliger und unerhörter Vorgang. Doch Thgáan wurde so stark von dem Wunsch beseelt, seinen Nutzen unter Beweis zu stellen, dass ihm diese Grenzüberschreitung nicht einmal auffiel.
***
Im Anflug auf den Kratersee
Manta One überquerte das westsibirische Tiefland ohne nennenswerte Zwischenfälle. Kein Eluu oder Avtar kreuzte seine Bahn, um sich mit ihm zu messen. Die Population dieser riesigen Mutationen war zum Glück nur sehr gering, außerdem hatten die Todesrochen sicher längst klargestellt, wer den Luftraum in diesem Gebiet dominierte.
Aiko erkannte das an den Reaktionen, die er über die Außenkameras verfolgte. Wo auch immer er mit seinem getarnten Gleiter auftauchte, geriet die Tierwelt in Bewegung.
Entgegenkommende Vögel schlugen sofort einen anderen Kurs ein, wenn sie der Attrappe ansichtig wurden. Unter ihm, auf dem Boden, das gleiche Bild: Ob Tiere oder Barbaren, alle stoben auseinander und suchten Deckung.
In diesen Stunden war Langeweile Aikos größter Feind.
Dank des elektronischen Verstandes ließ seine Aufmerksamkeit jedoch keine Sekunde nach. Unermüdlich beobachtete er, wie sich der Flickenteppich aus dicht belaubten Baumkronen, Sümpfen und Wiesen in immer neuen Variationen zusammen fügte. Jedes Tier, das er ausmachte, wurde akribisch gezählt und einer laufenden Hochrechnung einverleibt.
Ab und an entdeckte er auch einige in Felle gehüllte Barbaren, die mit Pfeil und Bogen oder Speeren zur Jagd gingen. Ihre Zahl nahm jedoch stetig ab, genau wie die der Wälder. Je weiter es nach Osten ging, desto karger wurde die Landschaft. Bald gab es nur noch Sümpfe und Steppen, vereinzelt machten sich Steinwüsten breit, auf deren verwitterten Felsen nur Moos und Flechten wuchsen.
Aiko nutzte die Zeit, um mit dem Gleiter völlig eins zu werden. Immer wieder kippte er zur Seite ab, beschrieb enge Kurven und Drehungen oder vollführte Saltos und Loopings, um die Reaktionen der Maschine zu testen.
Lang ausgestreckt auf dem Kabinenboden liegend, mit den Außenaufnahmen, die direkt in sein Gehirn drangen, kam es ihm fast so vor, als könnte er selbst schwerelos durch die Luft gleiten. Das Einzige, was seine Haltung von der eines kostümierten Superhelden des 20. Jahrhunderts unterschied, waren die Arme, die er nicht nach vorne ausstreckte, um den Luftwiderstand zu verringern, sondern wegen der enge Kabine anwinkeln musste.
Dass seine Manöver nach außen hin wie die eines echten Todesrochen aussahen, darum brauchte er sich nicht extra zu sorgen. Die entsprechende Koordinierung übernahm der Bordcomputer. Dieser warnte auch, wenn eine Bewegung zu stark von den anatomischen oder aerodynamischen Möglichkeiten des Originals abwich.
Aiko harmonierte bereits so gut mit dem System, dass er stets unterhalb der kritischen Werte blieb.
Die Sprühvorrichtung am Bauch der Attrappe probierte er ebenfalls aus, allerdings nur einmal, um
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