1444 - Legende und Wahrheit
über die Kimm wuchsen. „Wir werden nicht mehr verfolgt", meldete der Autopilot unnötigerweise. „Kehr um und such einen Landeplatz möglichst nahe der Stadt", befahl Tifflor.
Das Boot sackte wie ein Stein in die Tiefe. An Bord war von der Hastigkeit des Manövers nichts zu spüren. Der Antigrav absorbierte alle Schwerkraftschwankungen. Dicht über dem Dach des Waldes wurde der Sturzflug abgefangen.
Wenige Meter über den Baumwipfeln glitt das Fahrzeug wieder in Richtung Süden - dorthin, wo es hergekommen war.
Der Autopilot wußte nichts davon, daß die Temminaloper Radar verwendet hätten.
Die charakteristischen Impulse, die der scharfgebündelte UHF-Strahl am angepeilten Objekt hinterließ, waren nicht registriert worden. Es spielte auch kaum noch eine Rolle. So dicht über dem Boden konnte das Boot selbst vom besten Radargerät erst aus geringster Entfernung geortet werden. Man war vorläufig vor Entdeckung sicher.
In der Nähe der Grenze, an der das Ackerland begann, wies der Wald Lichtungen auf. Das Boot fand eine Stelle, an der es landen konnte, ohne nennenswerten Schaden anzurichten. Zwei Bäumchen brachen unter seinem Gewicht; dann ließ es sich behutsam in einem Bett mannshoher Farne nieder.
In der Stille, die auf die Landung folgte, kam die Übertragung der Außenmikrophone zum erstenmal zur Geltung. Fremdartige Tierlaute waren zu hören. Ein milder Wind raschelte im Laub der Bäume., Praller Mittagssonnenschein lag auf der kleinen Lichtung. Es war eine friedliche Szene. „Wie geht's jetzt weiter?" fragte Bolder Dann. „Ich dachte, wenn sie Flugzeuge und Maschinengewehre haben, dann kennen sie womöglich auch Funksprechverkehr", sagte Nia Selegris. „Wir könnten versuchen, sie über Funk anzusprechen.
Vielleicht läßt sich auf diesem Weg eine Verständigung erzielen."
„Wir kennen ihre Sprache nicht", hielt ihr Vanda Taglia entgegen. „Was willst du tun? Ihnen ein Lied vorsingen, um unsere Friedfertigkeit zu beweisen?"
„Die Anoree kennen diese Welt, sonst hätten sie uns nicht hierher führen können", konterte Nia. „Die Temminaloper haben in aller Wahrscheinlichkeit Kontakt mit stemfahrenden Völkern gehabt. Es ist durchaus möglich, daß sie das Neyscam beherrschen."
„Gibt es auf dieser Welt Funkverkehr?" fragte Julian Tifflor mit lauter Stimme.
Der Translator übersetzte seine Worte.
Das Bordcomputersystem reagierte augenblicklich. „Es gibt Anzeichen, die auf die Existenz elektromagnetischer Sendeanlagen hinweisen. Es wird jedoch nichts gesendet.
Im Augenblick scheint Funkstille zu herrschen."
„Stell eine Nachricht zusammen", sagte Tifflor. „Der Wortlaut müßte ungefähr folgender sein..."
Weiter kam er nicht. Aus den Lautsprechern drang kreischendes Geheul. Der krachende Donner einer schweren Explosion brachte die Luft zum Zittern.
Auf dem Bild der Außenbeobachtung sah man den Boden des Waldes sich aufwölben und eine Fontäne aus Erdreich in die Höhe schießen. Eine Erschütterung lief durch den Leib des Bootes, gedämpft durch den Antigrav.
Der Feldschirm flackerte. Draußen vollzog sich rauschend, heulend und donnernd der Weltuntergang. Der Himmel verdunkelte sich unter Wolken grauen Qualms und emporgewirbelter Erdmassen.
Blitze zuckten durch die Finsternis. Die Außenmikrophone dämpften automatisch die Lautstärke der Übertragung, so daß man nur noch ein dumpfes, stetiges Rumpeln hörte.
Gulliver Smog war in die Höhe gefahren.
Gebannt starrte er auf die große Bildfläche.
Wie automatisch formte sein Mund die Worte: „Hundertfünf-Millimeter-Haubitzen!
Mein Gott... wie lange ist das her... fast dreitausend Jahre...!"
Julian Tifflor hatte nur einen Augenblick gebraucht, um die Lage zu erfassen. Der Flug des Bootes war nicht so unbemerkt geblieben, wie er es sich erhofft hatte. Die Waffen, die sie einsetzten, entsprachen dem Stand ihrer Zivilisation. Gulliver Smog war aufgrund seiner engen Freundschaft mit Norman Speck, dem Hobby-Archäologen, der ebenso wie er zur Mannschaft der CASSIOPEIA gehörte, mit den Kanonen der Vergangenheit so vertraut, daß er das Geschützfeuer leicht identifizieren konnte. Ob er das richtige Kaliber genannt hatte, dürfte allerdings bezweifelt werden. Fest stand jedoch, daß die Temminaloper entschlossen waren, den fremden Eindringling mit primitiven Feldgeschützen zu vernichten.
Der Schutzschirm hielt mühelos stand. „Es besteht keinerlei Gefahr für das Fahrzeug", antwortete der Bordrechner auf Julian Tifflors
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