1447 - Das Traumpaar
und hockte nun in deren Schatten.
Hier wartete sie ab. Völlig ruhig und entspannt. Nur ihre Lippen waren zu einem leichten Grinsen in die Breite gezogen. Wie immer war sie mit dem Oberteil und der Hose aus Leder bekleidet. Ein sehr weiches Material, das nicht knirschte, wenn sie sich bewegte.
Die blonde Bestie sah auch im Dunkeln. Und sie spürte immer mehr, wie die Gier in ihr hochstieg, wie es in ihrem Innern rumorte.
Sie war nun mal eine Blutsaugerin, und diese sechs Menschen, die lagen für sie wie auf dem Präsentierteller.
Doch zunächst musste sie mit Chira abrechnen.
Die Vampirin im langen Mantel war ebenfalls nicht stehen geblieben. Sie bewegte sich mit kleinen Schritten durch die Halle. In der rechten Hand hielt sie die Beretta. Diesmal allerdings zeigte die Mündung gegen die Decke. Wenn es sein musste, würde sie die Waffe blitzschnell senken können.
»Willst du nicht antworten?«, höhnte sie. »Du hast Angst vor mir, wie? Kann ich verstehen. Hätte ich auch, denn ich werde dir die Silberkugeln reihenweise in den Schädel jagen, wenn ich dich sehe. Darauf kannst du dich verlassen.«
Das Gerede störte die Cavallo nicht im Geringsten. Sie wusste genau, was sie davon zu halten hatte. Wenn jemand so sprach, war er nervös, und sie ging davon aus, dass sie diese Unperson verunsichert hatte, die schon sicher gewesen war, ihre Feindin im nächsten Moment als Leiche vor ihren Füßen liegen zu sehen.
Chira ging nach einer bestimmten Taktik vor. Sie schlenderte ein paar Schritte gemächlich dahin, um sich dann plötzlich nach rechts oder links zu drehen, sodass sie in andere Richtungen schauen konnte. Die Hand mit der Beretta senkte sie dabei jedes Mal.
Justine besaß Nerven wie Drahtseile. Das heißt, sie besaß gar keine Nerven. Sie war eiskalt. Sie erlebte auch keine Aufregung in ihrem Innern, denn diese menschlichen Eigenschaften waren ihr fremd.
Dafür war die maßlose Gier vorhanden, die Sucht nach Menschenblut, die sie bald stillen musste.
Chira war etwa in der Mitte der Halle stehen geblieben. Sicherlich sah auch sie recht gut in der Dunkelheit. Warum sie nicht weiter suchte, erfuhr Justine etwas später.
Chira hatte sich zu einem anderen Vorgehen entschlossen.
Die Leere in der Mitte der Halle war nicht mehr interessant für sie.
Ab jetzt fand sie es effektvoller, wenn sie sich dicht an den Wänden entlang bewegte. Sie fing auf der gegenüberliegenden Seite damit an, doch es war leicht auszurechnen, wann sie in die Nähe der blonden Bestie geraten würde.
Noch brauchte Justine nichts zu tun. Sie löste sich sogar aus ihrer hockenden Position und blieb aufrecht stehen.
»Du brauchst dich nicht zu freuen, Justine. Ich kriege dich. Das ist versprochen.«
Dafür hatte die Cavallo nur ein verächtliches Grinsen übrig. Chira würde sich wundern, das stand fest.
Die Wiedergängerin im Ledermantel blieb bei ihrem Plan und setzte den Weg an der Wand entlang fort.
Jetzt wurde es für Justine spannend. Wenn Chira so weiterging, konnte sie sich leicht ausrechnen, wann sie zusammentrafen. Das wollte Justine auf jeden Fall vermeiden. Sie war diejenige, die bestimmte, wann es so weit war.
Deshalb zog sie sich zurück und hatte dabei eine geduckte Haltung eingenommen. Sie versuchte, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen.
Weit ging sie nicht. Nahe des alten Eingangs hockte sie sich nieder.
Die breite Eingangstür befand sich in ihrem Rücken. Sie war zugezogen, und sie wusste nicht, ob sie verschlossen war.
Justine durchzuckte es, als sie mit der Hand, mit der sie sich am Boden abstützen wollte, gegen etwas Hartes stieß. Es war ein sehr handlicher Stein. Genau so etwas hatte sie gebraucht. Jetzt musste sie sich keine Gedanken mehr darum machen, wie sie Chira ausschalten konnte.
Chira war noch immer davon überzeugt, dass sie die Gewinnerin sein würde. Sie sprach wieder mit leicht schriller Stimme in die Leere hinein. »Ich hole dich! Ich habe schon fast die ganze Halle abgesucht, und oben unter der Decke wirst du dich nicht versteckt haben.«
Wäre eine Idee gewesen!, dachte Justine und ärgerte sich, dass sie nicht selbst darauf gekommen war. Aber so war es schon besser, und sie ließ Chira näher auf sich zukommen.
Den Stein wog sie mehrmals in der rechten Hand, als wollte sie sein Gewicht prüfen. Der erste Wurf musste sitzen. Wenn der Stein traf, war Chira damit vielleicht nicht ausgeschaltet, aber zunächst außer Gefecht gesetzt, und genau das wollte sie.
Chira kam
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