1447 - Das Traumpaar
näher.
Die Mündung der Beretta wies nicht mehr gegen die Decke. Sie hatte den Arm gesenkt und nach vorn gestreckt. So würde sie schneller reagieren können.
Justine änderte ihre Position nicht. Sie war auch in der Lage, aus der Hocke zu werfen und zu treffen. Langsam nahm sie die Hand mit dem Arm zurück.
Chira blieb stehen.
Hatte sie etwas bemerkt?
Die blonde Bestie nutzte die Sekunde der Ablenkung. Praktisch aus dem Handgelenk heraus schleuderte sie den Stein in Chiras Richtung. Die sah, dass etwas auf sie zuflog. Doch es war zu schnell für sie, um noch ausweichen zu können.
Das Wurfgeschoss erwischte sie am Hals und am Kinn.
Kein Schrei, aber auch kein Schuss folgte. Die Wucht des Treffers schleuderte Chira nach hinten. Sie verlor das Gleichgewicht und dachte nicht mehr daran, auf ein Ziel zu schießen, weil sie in diesen Augenblicken keines sah.
Und Justine startete!
***
Wenn sie wollte, konnte die Vampirin schneller als jeder Mensch laufen, und in diesem Fall wollte sie es. Ihre Sprünge waren gewaltig, getrieben durch eine nicht mehr menschliche Kraft, und so tauchte sie in Sekundenschnelle vor der nach hinten taumelnden Blutsaugerin auf.
Justine fackelte nicht lange. Noch in der Bewegung griff sie mit beiden Händen zu und umklammerte sie Taille ihrer Feindin. In der nächsten Sekunde wurde Chira angehoben, gedreht und mit voller Kraft gegen die Wand geworfen.
Es entstand ein klatschendes Geräusch, aber es war auch ein Knacken oder Brechen zu hören, als irgendetwas im Körper der Blutsaugerin kaputt ging. Sie landete am Boden. In ihrem langen Ledermantel wirkte sie wie ein zusammengeknülltes Bündel, aus dem ein Kopf hervorschaute.
Justine Cavallo verlor keine Zeit. Sie zeigte jetzt, wie man vorgehen musste, um zu den Gewinnern zu gehören. Eine Sekunde später hielt sie die Beretta in der Hand, trat noch gegen den Körper der anderen, der zur Seite rutschte. Danach richtete sie sich auf. Sie war die Siegerin. Wieder mal. Außerdem hätte sie sich nichts anderes vorstellen können. Hier zählte nur, was sie wollte.
Chira stöhnte, obwohl sie als Vampirin keine Schmerzen empfand.
Es war wohl mehr ein Stöhnen der Wut und der Enttäuschung.
Dann schrie sie auf, als Justine eine Hand in der grauen Haarflut vergrub und sie brutal an den Haaren in die Höhe zog.
Ein Mensch hätte es vor Schmerzen kaum ausgehalten, aber Chira war einfach nur wütend.
Justine drückte ihre Feindin gegen die Wand und hielt sie fest.
»So, und jetzt zeige ich dir, wer hier den Ton angibt.«
Ihr Blick fiel genau in das nicht weit von ihr entfernte Gesicht dieser Unperson, und sie sah auch den offenen Mund.
Zwei Blutzähne schimmerten, und in diese Lücke zwischen diesen stieß sie die Mündung hinein.
Chira stand still. In ihren blicklosen Augen war nicht zu erkennen, was sie durchlebte.
»Wenn ich jetzt abdrückte, steckt das geweihte Silber tief in deinem Hals, klar?«
Chira nickte schwach.
»Aber ich halte mich zurück – noch. Es kann durchaus sein, dass wir gemeinsam kämpfen müssen. Jedenfalls rate ich dir, mich nie mehr zu belästigen. Klar?«
Wieder deutete Chira so etwas wie ein Nicken an.
Die Cavallo zog die Hand mit der Beretta zurück. Kurz danach trat sie Chira die Beine weg. Die Vampirin klappte zusammen und spürte dann eine Fußsohle auf ihrem Gesicht.
»Du wirst ab jetzt nichts mehr gegen mich unternehmen. Erst wenn ich es dir sage, darfst du dich von hier wegbewegen.«
Eine Antwort wartete Justine nicht ab. Sie steckte die Waffe weg und ging ihrem neuen Ziel entgegen.
Der Kampf hatte ihr gut getan. Aber er hatte auch ihre Blutgier gesteigert. Sie wollte endlich ihren Hunger stillen und schaute sich die liegenden Menschen an.
Sie alle waren in Saladins Fänge geraten. Drei Frauen und drei Männer lagen bereit zum Biss.
Die Cavallo hatte ihre menschliche Seite verloren. Sie war jetzt wieder die blonde Bestie, als sie sich vorbeugte, einen jungen Mann anfasste und ihn in die Höhe riss.
Wie eine Schaufensterpuppe hing er im Griff der Cavallo. Sein Kopf war nach hinten gesunken. Die Augen standen offen, ohne dass er etwas sah.
Die Cavallo suchte sich einen günstigen Platz aus. Von dort aus behielt sie auch Chira im Auge. Dann machte sie es sich bequem und nahm auf dem Boden Platz. Ihr Opfer legte sie sich zurecht. Die angezogenen Beine dienten ihr dabei als Stütze. Jetzt musste sie nur noch den Kopf ihres Opfers zur rechten Seite drücken, damit die linke Halsseite frei lag
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