1447 - Sturmwelt am Scheideweg
beigefarbenen, im Winde flatternden Umhängen, ihren hellen Turbanen auf den Schädeln und den schwarzen Schleiern vor Mündern und Nasen, die sich an der Reling drängten und auf der Brücke standen. „Tuareg!" flüsterte Nuria. „So ähnlich kleideten sich die Tuareg - und so stolz wie diese Putranai müssen sie gewesen sein."
„Tuareg?" fragte der Oxtorner verständnislos. „Nie gehört. Sie können nicht zum Galaktikern gehört haben."
„Sie waren ein kriegerisches, stolzes Volk, das in der größten Wüste Terras lebte, in der Sahara", antwortete die Ingenieurin mit funkelnden Augen. „Es ist beinahe schade, daß ihre Gene durch die Verschmelzung mit den Genen von Zivilisationskrüppeln verwässert wurden."
„Vielleicht trage ich ein paar solcher Gene in mir", warf Kersham Tal, der marsianische Navigator der CRAZY HORSE ein, der auf dem Kreuzer das Kommando übernommen hatte und in permanenter Funkverbindung mit Wing und Nuria stand. „Vielleicht sind die Tuareg auch nach Siga ausgewandert, bevor sie sich mit gewöhnlichen Terranern vermischen mußten", spekulierte der Oxtorner ironisch. „Aber genug mit dem Geschwätz! Ich gehe zu den Tua..., ähem, zu den Putranai und verhandle mit ihnen. Nuria, klappe deinen Helm zu oder reibe dir wenigstens das Gesicht mit Frostschutzsalbe ein!"
Er wartete, bis die Sana ihren Druckhelm zugeklappt hatte, dann drückte er eine Sensorleiste.
Das Kanzeldach der Space-Jet glitt zurück.
Lion Wing legte eine Hand auf den Rand, schwang sich mühelos hinaus und rutschte die obere Außenhülle des Diskus hinunter.
Selbstverständlich trug er seinen SERUN, aber der Helm befand sich zusammengerollt im Nackenwulst.
Auf dem Eis des Sees federte er seinen Aufprall ab, dann schritt er mit wiegendem Gang auf das Drachenschiff zu, völlig unbeeindruckt von den 43 Minusgraden, die im winterlichen Gebirge herrschten und erst recht unbeeindruckt von den 1,11 g, die gegen die oxtornische Schwerkraft, von 4,8 gschon beinahe so etwas wie eine Mikrogravitation waren.
Vom Drachenschiff her hörte er erstaunte Ausrufe, dann befahl eine harte Stimme Ruhe.
Wenige Schritte vor dem Bug des Schiffes blieb der Oxtorner stehen, sah zu dem Putranai hinauf, der anscheinend das Kommando führte, und rief auf Hangoll: „Kapitän Wing bittet, an Bord kommen zu dürfen!"
Dabei lächelte er sehr höflich und kratzte sich mit der rechten Hand durch die weit geöffnete Raumkombination die Brust.
Eine Strickleiter wurde über den Bug geworfen, und die Stimme von vorhin erwiderte: „Kapitän Wing ist eingeladen, die Drache-Echnet zu betreten."
Lion Wing fühlte sich versucht, aus dem Stand heraus aufs Deck des Drachenschiffs zu springen. Das wäre jedoch pures Imponiergehabe gewesen und hätte zudem die Gefühle der stolzen Wüstensöhne verletzen können.
Deshalb kletterte der Oxtorner zwar behende, aber ansonsten ganz normal die Strickleiter hinauf und salutierte, als rund zwanzig Putranai ihre Streitäxte zum Gruß hochreckten.
Ein besonders hochgewachsener Putranai mit kühn geschnittenem, wettergegerbtem Gesicht und einer halbmondförmigen Narbe auf der Stirn stieg über eine Leiter von der Brücke und ging ihm entgegen. Der Blick seiner Augen verriet unbeirrbaren Stolz.
In diesem Moment wußte Wing, daß er nicht mehr versuchen durfte, diesen Krieger zu beeindrucken, sondern daß er ihn ohne Wenn und Aber als gleichwertig behandeln würde. „Willkommen an Bord, Kapitän Wing!" sagte der Putranai.
Wie sich die Sitten gleichen! dachte der Oxtorner. „Ich bedanke mich für deine Einladung", sagte er. „Ich bin Nam-Ko, Angehöriger der Toggaren", erklärte der Putranai.
Wing nickte.
Er nahm an, daß die Toggaren die höchste Kaste oder die Adelsschicht unter den Putranai waren. „Der Toggare-Ho schickt mich mit einer Botschaft", fuhr Nam-Ko fort. „Sie wurde von ihm und von dem Sprecher der Stadt-Tronahae gemeinsam verfaßt und lautet wie folgt: Wir haben ein Mitglied eurer Schiffsmannschaft dabei ertappt, wie es die Große Mutter und den Stern der Wüstensöhne schändete. Die Verbrecherin befindet sich in unserer Gewalt. Mit ihr wird nach tronahaeschem Recht verfahren werden. Ihr anderen Fremden aber werdet aufgefordert, mit eurem Schiff diese Welt zu verlassen, noch bevor dieser Tag zu Ende geht, und euch niemals wieder auf Bugaklis sehen zu lassen."
Nam-Ko verschränkte die Arme vor der Brust, verneigte sich leicht und erklärte: „Ich persönlich bedaure es sehr, daß unsere
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