1456 - Catwalk in die Hölle
sage Ihnen, Glenda, dass der Weg bis zum Ziel nicht nur weit, sondern auch sehr beschwerlich ist.«
Glenda nickte. »Das hat sich selbst bis zu uns herumgesprochen. Dennoch gibt es immer wieder neuen Nachwuchs, nehme ich an.«
Elvira winkte ab. »Nachwuchs gibt es genug, Glenda. Sie glauben gar nicht, welche Träume die jungen Mädchen haben. Fast jeden Tag sehen sie im Fernsehen ihre großen Vorbilder. Die Namen brauche ich Ihnen nicht erst aufzuzählen.«
Glenda nickte.
»Wir treffen natürlich eine Vorauswahl. Ein kurzes Vorsprechen gehört ebenso dazu wie ein Vortanzen. Da erkennt das Auge des Fachmanns schon, ob jemand für den Job geeignet ist oder nicht.«
»Das macht Mr Lucius?«
»Sicher.«
Er kam wie aufs Stichwort.
Da Glenda zufällig in eine bestimmte Richtung schaute, sah sie, dass eine Tür geöffnet wurde, und dann stand er auf der Schwelle.
Nur für einen Moment, denn er schaute mit scharfem Blick in das Vorzimmer, um Glenda Perkins zu betrachten.
Sie gab den Blick zurück.
Sofort merkte sie, dass sie innerlich vereiste. Der Mann, der jetzt einen Schritt nach vorn trat, war ihr schon beim ersten Anblick alles andere als sympathisch. Schlank, drahtig, ohne Bauch. Er hatte sich trotz seines Alters beeindruckend gut gehalten, aber das Gesicht sagte Glenda Perkins nicht zu. Es war hager und sonnenbraun durch das Solarium. Schmale Lippen, die hohe Stirn, und Haut, die nicht glatt, aber auch nicht faltig aussah, sondern einfach nur verlebt, wobei der gierige Blick der Augen nicht zu übersehen war.
Er lächelte. Er streckte die Arme vor, und er machte auf Glenda den Eindruck eines Wolfs, der Kreide gefressen hatte.
»Glenda Perkins vom Fashion Star?«
»Ja, das bin ich.«
»Seien Sie uns willkommen.« Er stand jetzt so nahe bei ihr, dass er sie umarmen konnte, was er auch tat.
Glenda versteifte sich dabei, und sie nahm den Duft oder Geruch wahr, den der Mann ausströmte.
Er roch nicht frisch. Es war der Geruch nach Herbst und Winter, als wäre die Natur dabei, zu vergehen. Von einem fauligen Duft wollte Glenda nicht sprechen, aber weit war er davon nicht entfernt.
»Hat man Ihnen nichts angeboten, meine Liebe?«
»Schon, aber ich wollte nicht.«
»Immer nur der Job?«
Glenda lächelte. »Man muss sich eben ranhalten, denke ich.«
»Das stimmt.«
»Haben Sie denn überhaupt Zeit für mich?«
»So viel Sie wollen. Wir waren lange nicht mehr in der Presse, abgesehen von unseren Anzeigen, und ein gut geschriebener Bericht ist besser als jede Werbung.«
»Da haben Sie Recht.«
»Dann kommen Sie mal mit.«
Beide gingen durch die Tür, durch die der Mann hereingekommen war. Ein Büro, das zugleich Wohnraum war, nahm sie auf. Mit einer dunklen Ledercouch und Bauhaus-Sesseln bestückt. Auf kleinen Glastischen lagen Zeitschriften übereinander. Es gab die Bilder der Models an den Wänden, aber es gab auch einen Arbeitsplatz, auf dem der Laptop zusätzlich neben einem kompakten Computer stand.
Glenda entdeckte auch die zweite Tür, die geschlossen war. Zwei hohe Fenster waren auch vorhanden. Dichte Gardinen hingen davor, die den Blick nach draußen verwehrten.
Ohne Glenda zu fragen, schenkte Lucius Frye zwei Martinis ein.
Die Flüssigkeit schwamm in breiten, dreieckigen Gläsern.
»Trinken Sie mit mir, Glenda.«
»Weil Sie es sind, Mr Lucius.«
Der Mann legte seinen Kopf zurück und lachte. »Ich bitte Sie, Glenda, aber nicht für Sie.«
»Wie meinen Sie das?«
»Dieses Mr Lucius. Lassen Sie das Förmliche weg und nennen Sie mich einfach nur beim Vornamen.«
»Okay, danke.«
Er hob sein Glas. »Dann auf eine gute Zusammenarbeit.«
»Ja, ich freue mich darauf.«
Es war ein trockener Martini. Während Glenda ihn langsam trank, dachte sie darüber nach, wie sie sich verhalten sollte. Es kam vor allen Dingen darauf an, dass sie die Fragen richtig stellte und nicht für Misstrauen bei dem Mann sorgte.
Frye stellte sein leeres Glas weg. »Was soll ich Ihnen erzählen? Wo sollen wir beginnen?«
»Da habe ich mir schon etwas ausgedacht.«
»Bitte.«
»Es geht um die Mädchen.«
»Aha. Und weiter?«
»Mich oder uns würde interessieren, was sie von Ihrer Schule erwarten. Wie sie sich fühlen. Was am Ende ihrer Träume steht. All das würde mich interessieren, und ich denke, dass ich da bei Ihnen richtig bin.«
Er lächelte. Nur lächelten seine Augen nicht mit. »Ja, da haben Sie natürlich Recht.«
»Dann stimmen Sie zu?«
»Sicher«, erwiderte er lachend. »Ich habe nichts zu
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