1457 - Ediths Leichenwelt
versuchen.« Suko klingelte.
Wenig später wurde geöffnet. Lilly Sauter schaute uns an. Wir rochen, dass sie Whisky getrunken hatte.
»Ach, Sie wieder.«
»Ja, wir.« Suko lächelte. »Können wir noch mal mit Ihnen ein paar Worte reden?«
»Sicher.«
Sie gab uns den Weg frei, und wir sahen einen Mann in ihrem Sessel sitzen. Er war um die 40, trug eine braune Stoffhose und ein khakifarbenes Hemd. Die Hälfte seines Haares war bereits verschwunden. Die verbliebenen hatte er nach hinten gekämmt. Er hatte Eulenaugen und einen nach unten hängenden Mund. In der Hand hielt er ein Glas mit Whisky. Es roch nach Zigarettenqualm. Der Ascher auf dem Tisch war voll.
Auch wir fanden in der Enge noch Platz.
»Das ist auch ein Bewohner. Er heiß Hank Grotowsky und weiß, was hier passiert ist.«
Wir nickten ihm zu und sagten unsere Namen.
»Er kennt Edith auch«, erklärte Lilly, »und ist ebenfalls entsetzt darüber, was in ihrer Wohnung gefunden wurde.«
»Ja, das bin ich«, flüsterte der Mann.
»Hank und ich trinken manchmal einen zusammen. Da lässt sich das Leben in diesem Haus besser ertragen.«
»Das müssen Sie wissen«, sagte ich. »Aber deswegen sind wir nicht gekommen. Sie können sich vorstellen, Mrs Sauter, dass wir noch einige Fragen haben, die Edith Jacum betreffen.«
Sie lachte auf. »Meinen Sie denn, dass ich Ihnen weiterhelfen kann?«
»Wir…«
Lilly Sauter ließ Suko nicht zu Ende sprechen. »Ich weiß wirklich nicht viel über Edith, aber bei uns sitzt jemand, der Ihnen unter Umständen helfen könnte.«
Wir schauten Hank Grotowsky an, der eine rote Gesichtsfarbe bekam und plötzlich ängstlich wirkte.
»Stimmt das«, fragte ich. »Kennen Sie Edith näher?«
Er hob die Schultern und schaute um Hilfe suchend seine Nachbarin an.
»Nun sag es schon, Hank.«
»Ich weiß nicht…«
»Raus damit!«
Hank nickte. »Gut, aber ich will keinen reinreißen. Ich weiß auch nicht, ob ich Ihnen damit weiterhelfen kann. Was ich Ihnen sagen kann, steht unter Vorbehalt.«
»Keine Sorge«, beruhigte ich ihn. »Wir werden uns schon ein eigenes Bild machen.«
Er musste noch einen Schluck trinken, bevor er redete. »Manchmal kommen einem wieder Kleinigkeiten in den Sinn, die man eigentlich schon vergessen hatte. Ich weiß auch nicht mehr genau, wie lange das schon zurückliegt. Ein paar Wochen mindestens. Ich war mit dem Bus in die City gefahren. Als ich wieder zurückkam und von der Haltestelle nach Hause wollte, hielt jemand neben mir.«
»Edith Jacum?«, fragte ich.
»Ja, in ihrem Twingo.«
»Und dann?«
Langsam erzählte er weiter. »Sie hat mich gefragt, ob sie mich mitnehmen sollte. Ich habe zugestimmt, denn es fing an zu regnen. Deshalb bin ich mit ungefähren.« Er hörte auf zu sprechen und schaute auf seine Hände.
»Und weiter?«, fragte ich.
»Nichts.«
»Wieso?«
»Wir sind zum Haus gefahren.«
Ich spürte, dass ich leicht sauer wurde. »Und sonst ist nichts vorgefallen?«
»Sag es schon, Hank«, drängte Lilly Sauter.
»Ja und nein. Ich weiß nicht.« Er kratzte sich am Hals. »Sie hat auf das Haus geschimpft, und das tat ich auch. Ich habe dann gesagt, dass man eigentlich ausziehen müsste. Da hat sie mir zugestimmt. Als ich dann davon sprach, dass wir keine Chance hätten, eine andere Wohnung zu finden, hat sie nur gelacht.«
»Warum?«, fragte Suko.
»Sie meinte, dass sie bereits eine hätte.«
Wir hatten wirklich nicht viel Hoffnung gehabt bei seinen Antworten. Jetzt aber saßen wir starr und hüteten uns vor einer Bewegung.
Sollte sich das Blatt wenden?
Ich fragte: »Können Sie sich denn an Einzelheiten erinnern, Mr Grotowsky?«
»Das ist ja das Problem.« Er knetete seine kurze Nase. »Sie hat mir nicht gesagt, wo sie noch lebt.«
»Auch keine Andeutung?«
»Nein. Oder ja.«
»Denken Sie bitte nach.«
Das tat er, aber dann sagte Lilly Sauter: »Die Sache war die. Es ist wohl keine Wohnung gewesen, sondern mehr ein Versteck.«
»Weit von hier?«, fragte Suko.
»Das glaube ich nicht.«
»Was hat Edith Jacum denn nun gesagt?«
Diesmal redete wieder Hank Grotowsky. »Sie meinte, dass man unter der Erde manchmal besser wohnt.«
Jetzt bekamen Suko und ich große Ohren.
»Unter der Erde«, wiederholte Hank.
»Ja, das haben wir gehört. Aber können Sie uns mehr darüber sagen? Das wäre fantastisch.«
»Sie sprach von einem Bunker, glaube ich.« Er hob schnell beide Hände. »Aber ich bin mir nicht sicher. Jedenfalls war es ein Ort, an dem sie nicht gestört
Weitere Kostenlose Bücher