1457 - Ediths Leichenwelt
fähig, ihren Blick von dieser Schleimfratze zu lösen.
Sie schüttelte sich, sie riss den Mund auf und keuchte. Nur war nicht zu verstehen, was sie sagte. Aber sie hörte die flüsternd gestellte Frage der Edith Jacum.
»Wolltest du mich verraten? Wolltest du zu den Bullen und ihnen einiges erzählen?«
Kat schüttelte heftig den Kopf. »Nein, ich – nein, wirklich nicht. Ich wollte es nicht. Du musst mir glauben. Das geht mich alles nichts an. Du hast dich verhört.«
»Habe ich nicht, Kat.« Edith kam näher. Ihren Blick empfand Kat als schlimm. Es war der Blick einer Mörderin, und die Angst in ihr wuchs.
»Na, was ist?«
»Lass mich gehen!«
Edith nickte. »Kannst du«, sagte sie.
Kats Hoffnung wurde sofort wieder zerstört, als sie die nächsten Worte hörte. »Wir werden gemeinsam gehen. Ich habe mich entschlossen, dich mitzunehmen, denn irgendwie mag ich dich, obwohl du das nicht glauben wirst. Ich nehme dich mit in meine zweite Wohnung und werde mit dir viel Spaß haben. Genügend Platz habe ich. Du wirst dich noch wundern.«
Trotz der gefährlichen Lage war Kat klar bei Verstand. Deshalb wusste sie auch, was die Worte der Jacum bedeuteten. Sie hatte das Gefühl, auf einem schwankenden Floß zu stehen, aber sie war auch durch eine harte Schule gegangen und wusste, wie man sich wehren konnte.
Auf der Innenseite des Mantels war das Messer nicht zu sehen. Es hing in einer Schlaufe, und die Klinge steckte in einer Lederscheide.
Die Bewegung war für Edith Jacum nicht zu ahnen. Mit keiner Reaktion gab Kat zu verstehen, was sie vorhatte.
Plötzlich hielt sie das Messer in der Hand. Eine breite, extrem scharfe Klinge endete in einer gefährlich aussehenden Spitze. Die Waffe würde tief in den Körper der Person eindringen und sie zur Hölle befördern.
»Lässt du mich jetzt gehen, du verdammtes Scheißweib?«, zischte Kat.
»Nein!«
»Ich habe das Messer!«
»Na und?«
Die letzte Antwort hätte Kat eigentlich warnen müssen, doch sie war so sehr auf sich und ihr Entkommen fixiert, dass so etwas wie ein Schleier vor ihren Augen tanzte.
Sie stieß zu!
Es war ihr alles egal. Es gab hier auch keine Zeugen. Sollte man den toten Körper der Alten ruhig finden, Kat würde sich längst aus dem Staub gemacht haben.
Die Klinge drang oberhalb des Bauches in den mageren Körper der Frau. Kat ließ den Griff los, als wäre er glühend. Sie wollte ihren Triumph hinausschreien. Im letzten Augenblick riss sie sich zusammen und schaute nach, was passierte.
Edith Jacum stand auf dem Fleck. Die Hände hatte sie um den Griff des Messers geklammert. Sie hielt den Kopf gesenkt, und aus dem für Kat nicht sichtbaren Mund drangen schmatzende Laute.
Kat wartete darauf, dass Edith zusammenbrach. Der Gefallen wurde ihr nicht getan. Die Jacum blieb in dieser unnatürlichen Haltung stehen. Den Griff des Messers hielt sie fest wie einen Lebensfaden, der nicht reißen wollte.
Kat wunderte sich. Eine böse Vorahnung stieg in ihr hoch, aber sie verdrängte sie schnell wieder. Was sie da dachte, das durfte einfach nicht sein.
Edith schwankte nicht einmal…
Aber sie tat etwas anderes. Sie bog mit einer ruckartigen Bewegung ihren Körper wieder gerade, und plötzlich konnten sich beide Frauen wieder in die Augen schauen.
Wo war der Schmerz auf Ediths Gesicht? Wo zeichnete sich all das Leiden ab, das sie einfach spüren musste?
Da war nichts zu sehen. Dafür jedoch ein bösartiges und auch wissendes Grinsen. Kat war nicht in der Lage, es richtig einzuordnen, doch in ihr stieg eine böse Ahnung hoch, dass sie zum falschen Mittel gegriffen hatte. Edith war kein normaler Mensch, und dass dies zutraf, bewies sie in den nächsten Sekunden.
Den Griff des Messers hielt sie noch umfasst. Arme und Hände waren dabei steif. Das blieb auch so – bis zu dem Zeitpunkt, als sie die Klinge wieder aus ihrem Körper zog.
Das geschah nicht ruckartig und schnell, sondern recht langsam, als würde sie diesen Vorgang genießen.
Kat hielt den Atem an. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
Das Messer lag frei.
Kein Blut an der Klinge!
Und auch kein Blut, das aus der Stichwunde strömte.
Kat begriff die Welt nicht mehr. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie stand vor einem Phänomen und wusste glasklar, dass es über ihre Kräfte ging. Sie hatte einen übermächtigen Gegner gefunden, und sie hatte gegen ihn verloren.
Edith Jacum schüttelte nur den Kopf.
Und dann schlug sie zu.
Ihre knochenharte Faust erwischte das Kinn
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