1467 - Landhaus der Leiden
vernichtet. Zu viele haben es schon getan. Ich spürte es, als ich mein Haus betrat. Vorher habe ich das nicht verhindern können, aber jetzt bin ich zurück, und ich werde es nicht mehr zulassen, dass jemand mein Haus entweiht.«
»Aber das ist Unsinn. Keiner hat es entweiht. Wir haben es gemietet und keinen geringen Preis dafür bezahlt.«
»Es gehört mir!« Er blieb dabei, und Laurie wurde allmählich klar, dass sie hier keinen Blumentopf gewinnen konnte. Das Grauen und der Tod hatten ein Gesicht bekommen, und ihr würde es nicht mehr gelingen, beiden zu entfliehen.
Trotz der eigenen Furcht dachte sie noch an ihren Freund und fragte mit rauer Stimme: »Wo ist Ray? Was hast du mit ihm gemacht, verdammt noch mal? Los, rede!«
Der Green Man sagte nichts, aber seine Bewegung war Antwort genug, denn er hob das Messer an und warf einen Blick auf die blutige Klinge. Das reichte Laurie.
»Nein!« flüsterte sie vor sich hin. »Nein, verdammt, das kann nicht sein. Das glaube ich nicht. Das ist doch Wahnsinn, verflucht noch mal. Du kannst ihn doch nicht einfach killen!« Ihre Stimme rutschte ins Weinerliche und Kindliche ab.
»Es ist mein Haus!«
»Scheiße, das ist es nicht!« brüllte sie ihn an. »Warum begreifst du das nicht!«
»Alle müssen weg!«
Laurie verschluckte sich, als sie den Satz hörte. Sie hatte plötzlich das Gefühl, zusammengepresst zu werden, und jetzt wusste sie endgültig, wie ernst er es meinte.
Das bewies er auch, als er sich von der Tür löste und auf die wehrlose Frau zuging…
***
Erneut drehte sich die Erde, und Cindy Spencer wusste, dass sie sich zu viel vorgenommen hatte. Sie hätte langsamer gehen sollen, doch etwas in ihrem Innern trieb sie an, schnell zu ihrem Ziel zu gelangen.
Die innere Stimme sagte ihr auch, dass sie etwas Wichtiges in diesem Haus finden würde, aber sie befürchtete zugleich, dass es etwas Schlimmes sein könnte. Wie dem auch war, sie musste hin, und sie dachte dabei weniger an ihre Auftraggeberin als mehr an sich selbst.
Pause. Warten, durchatmen. Hier gab es keinen Baum mehr, der sie hätte stützen können. Sie benutzte stattdessen das Heck des Volvos. Wenn sie sich etwas mehr aufrichtete, war es ihr auch möglich, einen Blick auf das Haus zu werfen, aber das musste noch warten.
Zunächst brauchte sie die Pause.
Wenig später ging es Cindy besser. Sie nahm die Tür in Augenschein, die immer noch offen stand. Nur nicht so weit, als dass sie in das Gebäude hätte hineinschauen können, da musste sie schon hineingehen.
Davor fürchtete sie sich. Cindy Stone besaß genügend Fantasie, um sich etwas Schreckliches auszumalen. Dass man sie verschont hatte, musste nicht heißen, dass es bei anderen Menschen ebenfalls der Fall sein würde. Hier gab es noch einiges aufzuklären.
Sie fühlte sich wieder okay. Sie holte tief Luft und war froh, dass sich die Schmerzen in ihrem Kopf auf ein erträgliches Maß reduziert hatten. So war sie in der Lage, ihre Füße aufzusetzen, ohne dass die Stiche im Kopf zu schlimm wurden.
Bei den ersten Schritten sorgte sie dafür, dass sie in der Nähe des Autos blieb. Zur Not konnte sie sich dann an ihm festhalten. Aber es klappte auch ohne, und so ließ sie die Kühlerhaube hinter sich und legte die letzten Schritte bis zur Tür zurück, vor der sie stehen blieb, denn sie traute sich nicht hinein.
Wäre sie völlig okay gewesen, so wäre es ihr leichter gefallen, zu lauschen. In diesem Fall irritierten sie die Stiche im Kopf, und sie musste sich neu auf die Situation einstellen, was ihr schließlich auch gelang.
War etwas zu hören? Hielt sich jemand im Haus auf? Cindy wusste verdammt gut, dass sie zwei Menschen bis hierher verfolgt hatte, und sie mussten sich einfach irgendwo aufhalten.
Es war auch die Stille, die ihr Probleme bereitete. Dabei war es nicht unbedingt totenstill, es gab einige Geräusche. Da war das Summen der Mücken und Gezirpe von Grillen. Aber ihr fehlten die Stimmen, die Geräusche von Menschen, ein Atmen oder Hüsteln. Jedenfalls etwas, das auf menschliches Leben hingedeutet hätte.
Das war nicht vorhanden.
Sie schluckte ein paar Mal ihren Speichel hinunter. Er schmeckte bitter. Trotz der Wärme kroch ein kalter Schauer über ihren Rücken.
Die Frau sah nichts, sie hörte nichts, und trotzdem konnte sich das Liebespaar nicht in Luft aufgelöst haben.
Da gab es den Unheimlichen, der sie niedergeschlagen hatte.
Wenn sie je einen Albtraum gehabt hatte, dann war es diese verdammte Gestalt
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