1467 - Landhaus der Leiden
zu hängen. Die Vernunft riet ihr, sich aus dem Staub zu machen, aber etwas hielt sie zurück. Sie wollte das durchziehen, was sie sich vorgenommen hatte.
Cindy erreichte die Tür schneller, als sie gedacht hatte. Sie blieb dicht vor der Schwelle stehen, und da die Tür weit offen stand, konnte sie in den Raum schauen.
Es war ein Bad!
Es war auch nicht leer, denn in der gefüllten Wanne saß eine nackte Frau wie eine Statue. Es war noch das leise Knistern des zusammengefallenen Schaums zu hören, ansonsten hatte Cindy den Eindruck auf ein Standfoto aus einem Film zu schauen.
Die nackte Laurie war unverletzt. Es schimmerte kein Tropfen Blut an ihrem hellen Körper. Auf dem Wasser zeichneten sich auch keine hellroten Schlieren ab, und der Boden war ebenfalls nicht gesprenkelt. Es sah alles normal aus, aber sie wusste, dass es nicht normal war. Hier hatte die Angst alles im Griff.
Die Tür stand offen. Cindy konnte, wenn sie den Kopf etwas nach rechts drehte, in einen Spiegel schauen, der ihr einen weiteren Überblick gab. Sie merkte auch, dass Laurie Spencer ihre weit aufgerissenen Augen verdreht hatte und in eine bestimme Richtung schaute.
An eine Stelle an der Wand, die für Cindy nicht einsehbar war, weil sie von der aufgestoßenen Tür verdeckt wurde. Etwas in ihrem Gehirn schaltete um. Sie folgte dem innerlichen Befehl, drehte sich etwas nach links und kantete den Fuß an.
Es war genau der richtige Augenblick. Die Tür sollte wieder auf gerammt werden, aber das schaffte der andere nicht. Sie hatte sich kaum in Bewegung gesetzt, da wuchtete sie gegen den Fuß, und damit hatte die Person nicht gerechnet.
Die Tür schlug wieder zurück, und genau im richtigen Augenblick sprang Cindy Stone zurück in den Flur.
An der Tür tauchte der Mann auf.
Seine grüne Haut sah noch immer aus wie angestrichen, aber diesmal hielt er keinen Stein in der Hand, sondern ein Messer, an dessen Klinge noch das Blut eines Menschen klebte…
***
In diesem Moment wurden Cindy Stone zweierlei Dinge klar. Zum einen hatte sie den Mörder gesehen und zum anderen hatte sie ihn bei seiner zweiten Gräueltat gestört, sodass Laurie Spencer noch am Leben war.
Aus beiden Faktoren ergab sich eine Lösung. Sie lag auf der Hand und war sehr simpel.
Der Mörder konnte keine Zeugen gebrauchen. Er musste sich jetzt um die Zeugin kümmern.
Als ihr das klar wurde, wurde für Cindy alles anders. Ihr Leben hatte sich von einem Moment auf den anderen auf den Kopf gestellt, und es gab für sie nur eine Möglichkeit, um sich vor der mörderischen Klinge in Sicherheit zu bringen – die Flucht!
Genau die trat sie an!
Sie beging nicht den Fehler und warf sich nach vorn, sondern direkt nach links, hinein in den Flur, denn sie wollte so schnell wie möglich den Ausgang erreichen.
Dabei musste sie dem Mörder zwangsläufig den Rücken zudrehen, das Risiko konnte sie leider nicht vermeiden. Sie hoffte nur, dass der Unhold das Messer in der Hand behielt und es nicht schleuderte, dann hatte sie nicht die Spur einer Chance. So aber konnte sie, wenn sie schnell genug war, ihr Auto erreichen.
Sie rannte los.
***
Cindy Stone hatte noch nie etwas so Grauenhaftes erlebt. Es war vielleicht gut, dass es um ihr Leben ging, denn das mobilisierte in ihr ungeahnte Kräfte.
Bei jedem Schritt durchschoss ein neuer Adrenalinstoß ihren Körper. Sie rannte nicht, sie sprang mehr, und sie hatte den Kopf eingezogen, denn sie wollte ein so kleines Ziel wie möglich bieten. Sie huschte vorbei an dem Mordzimmer und war froh, dass die Haustür noch offen stand. So gelangte sie ungehindert ins Freie und wurde auch nicht von einer Klinge in den Rücken getroffen.
Auf dem glatten Holzboden hatte sie normal laufen können. Das änderte sich wenig später, denn der Untergrund vor dem Haus war längst nicht so eben.
Da gab es Buckel, da gab es kleine Mulden, und es war auch kein bewusst angelegter Weg.
Cindy lief so dicht an dem Volvo vorbei, dass sie mit dem Arm gegen den Außenspiegel rammte, was sie nicht weiter störte. Schmerzen zu empfinden, das war bei dieser Hetzjagd nicht drin.
Sie machte sich Vorwürfe, den Wagen so weit weg abgestellt zu haben. Zu ändern war es nicht mehr, und zudem hatten bei ihrer Ankunft andere Voraussetzungen geherrscht.
Als sie den Volvo passiert hatte, musste sie nach links. Zum ersten Mal wagte Cindy es, den Kopf zu drehen, um einen schnellen Blick zum Haus zu werfen.
Er war da.
Klar, er wollte die Zeugin nicht entkommen lassen. Der
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