1468 - Tanz im Totenreich
schön, wenn es so wäre, aber leider trifft das nicht zu, Sir.«
»Ist er nicht tot?«
»Doch!«
»Aber…« Sir James ließ die anderen Worte unausgesprochen, und Marietta nahm den Faden wieder auf.
»Er ist tot. Ihn hat das Schicksal ereilt. Aber ich bin ebenfalls tot und stehe trotzdem vor Ihnen.«
»Das ist ein Problem«, gab Sir James zu.
»Nein«, erklärte Marietta. »Das Problem ist Eric Walcott.«
Sie hatte sehr intensiv gesprochen und bestimmte Worte stark betont. Und ich hatte ihr sehr genau zugehört, wobei ich daran dachte, dass es möglicherweise nicht nur eine Person gab, die einen ungewöhnlichen Weg gegangen war. Aber ich wollte nicht vorgreifen und überließ Marietta weiterhin das Feld.
Ihre Stimme nahm an Lautstärke ab. Es war ihr jetzt anzumerken, dass sie litt, und sie senkte auch den Kopf beim Sprechen. »Er ist den gleichen Weg gegangen, den auch ich ging«, erklärte sie. »Zuerst. Aber dann haben sich unsere Wege getrennt. Ich will bei dem Beispiel bleiben. Eric Walcott bog ab. Er nahm nicht den Weg ins Licht, sondern setzte auf die andere Seite, auf die Verdammnis.«
»Die Hölle«, flüsterte Glenda.
Marietta nickte. »So kann man es auch nennen, Glenda. Er wollte in die Hölle.«
Wir schwiegen zunächst. Glenda bewegte sich etwas unruhig, Sir James starrte vor sich hin, und wieder musste Glenda etwas sagen, die das Mädchen jetzt duzte, ohne dass es ihr bewusst war. »Wenn du das so sagst, können wir aber nicht davon ausgehen, dass er tief in der Verdammnis oder Hölle steckt – oder?«
»Davon können wir nicht ausgehen.« Marietta hob den Blick an.
»Ich habe von den verschiedenen Wegen gesprochen, doch im Endeffekt sind wir uns gleich.«
Diesmal übernahm ich das Wort. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist er ebenfalls wieder da?«
»Ja, John. Er ist zurück, genau wie ich!«
***
Keinem von uns konnte die Eröffnung gefallen, so unglaublich sie auch klang. Aber Marietta Abel war der beste Beweis dafür, dass das Unglaubliche auch zu einer Tatsache werden konnte, und es war gut, dass sie uns das mitgeteilt hatte. Andere Menschen hätten nur den Kopf geschüttelt und sie ausgelacht.
Wir hatten alles begriffen. Wenn wir daran dachten, dass dieser Amokläufer wieder unterwegs war, zwar nicht als Mensch, sondern als Geistwesen, bei dem der grausame Trieb aber nicht gestoppt worden war, dann wurde uns ganz anders.
»Ja, so ist es leider«, flüsterte Marietta. »Eric Walcott ist ebenso da wie ich.«
Sir James drehte mir sein Gesicht zu. »Sagen Sie etwas, John.«
»Ich glaube ihr.«
»Dann sind wir uns einig.«
Marietta zeigte sich erleichtert. Danach verdüsterte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie wischte auch etwas fahrig durch ihre Haare und hob die Schultern an.
»Ich gebe es nicht gern zu«, sagte sie mit leiser Stimme, »aber ich habe große Angst. Ich leide darunter. Ich fühle mich allein zu schwach, um etwas gegen ihn unternehmen zu können. Deshalb habe ich mir die Hilfe gesucht, zu der man mir riet.« Sie sprach mich direkt an. »Und ich bin froh, dass du mir zur Seite stehen willst.«
»Versprochen.«
»Und ich werde auch dabei sein«, erklärte Suko.
»Sehr schön«, meldete sich Sir James. »Zunächst mal müssen wir die Fakten kennen, und die sind uns leider noch nicht genannt worden. Die Welt ist groß, Marietta. Niemand weiß, wann er kommt und wo er dann zuschlagen will.« Er räusperte sich. »Da müssten Sie uns schon nähere Informationen geben.«
»Das versteht sich.«
»Können Sie das denn?«
Marietta nickte. »Ich bemühe mich. Zwar bin ich nicht hundertprozentig davon überzeugt, aber ich denke schon, dass er heute noch zuschlagen wird.«
»Warum?« fragte Suko.
»Weil heute ein Gedenktag ist, denn mein und sein Tod sind auf den Tag genau ein halbes Jahr her, und das ist für ihn sicherlich ein Fixpunkt, um sich wieder in Erinnerung zu bringen.«
Noch wussten wir nichts Konkretes, und Glenda sagte: »Hast du eine Ahnung, wie er das anstellen will? Gibt es da vielleicht etwas Besonderes, auf das er abfährt oder wie auch immer man das auch nennen mag?«
»Ja. Dieses Datum ist es nicht allein. Es geht dabei um meine Familie im Besonderen.«
»Warum?«
Marietta schaute Glenda traurig an. »Weil – weil sich meine Familie heute zum Gedenken an meinen Tod trifft. Man wird zuvor in die Kirche gehen und sich dann zusammensetzen. Wir besitzen ein kleines Haus im Grünen. Es ist der Familientreffpunkt. Ich weiß, dass dieser Termin
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