1468 - Tanz im Totenreich
schon gefallen, da bin ich ehrlich. Ich habe das Bild dieses Mörders in der Zeitung gesehen. Man kann Eric Walcott als eklig bezeichnen. Wenn du ihn siehst, dann würdest du nicht auf den Gedanken kommen, dass er ein Killer ist. Der sieht aus wie ein harmloser Buchvertreter. Klein, Halbglatze, auch nicht mehr unbedingt jung, ein Psychopath der übelsten Sorte. Morde traut man einem wie ihm nicht unbedingt zu.«
»Du kennst dich aus«, sagte ich leicht bewundernd.
»Ja, mich hat der Mord damals sehr beschäftigt. Dieser Überfall war so grundlos. Nur weil einer plötzlich durchdrehte, gab es eine Tote und mehrere Verletzte. Und das soll sich jetzt wiederholen. Sagen wir mal, es geht alles gut aus, was geschieht dann mit Marietta? Wird sie wieder in einer anderen Welt verschwinden?«
»Ich habe keine Ahnung«, gab ich zu. »Es muss aber nicht sein.«
Glenda und Suko horchten auf. Und mein Freund wollte wissen, ob ich mehr wusste.
»Wissen ist zu viel gesagt. So wie ich sie verstanden habe, will sie den gleichen Weg gehen wie ihr großes Vorbild Raniel. Sie will Gerechtigkeit, und es kann durchaus sein, dass Raniel sie an seiner Seite haben will, wenn er wieder einmal erscheint und die Dinge nach seinem Gusto richtet. Ihr versteht, was ich meine?«
Glenda nickte heftig und ihre Augen leuchteten dabei. »Du gehst davon aus, dass sie seine Partnerin wird.«
»So ungefähr.«
»Das sind nur Vermutungen, die jetzt nicht wichtig sind«, sagte Suko. »Wir sollten uns allmählich in Bewegung setzen. Dann können wir uns noch etwas in der Umgebung des Hauses umsehen.«
»Gut, packen wir’s.« Ich nahm die Tasse hoch und trank den Rest des Kaffees. Dabei traf mein Blick Glendas Gesicht, das einen sehr in sich gekehrten Ausdruck angenommen hatte, und ich erkannte, dass sich bei ihr ein Plan zusammenbraute.
Darauf sprach ich sie nicht an, aber ich vergaß es auch nicht…
***
Brian Abel hielt den Schlüssel in der Hand und öffnete die Tür, die er nach innen stieß. Hinter ihm stand sein Zwillingsbruder Tom, der die beiden Reisetaschen festhielt, in denen sich die Utensilien befanden, die man für eine Übernachtung benötigte.
Die Zwillinge waren die Erstgeborenen. Ihre Schwester und sie trennten zehn Jahre. Bei ihnen stand die Drei davor, und sie hatten die kleine Schwester sehr gemocht. Sie hatten unter ihrem Tod gelitten, und alles würde wieder hochkommen, wenn sich die Familie jetzt traf und über die Verstorbene redete.
Aber sie waren gekommen, hatten ihre Autowerkstatt für reparaturbedürftige Oldtimer im Stich gelassen, um diesem Familientreffen beizuwohnen. Gekommen waren sie mit einem flaschengrünen Spitfire, der vor dem Haus stand und nicht zu übersehen war.
Die Männer schritten in ein menschenleeres Haus, das nur für kurze Zeit verlassen war, denn ihre Eltern waren in die Kirche gegangen, wo eine Messe für die Verstorbene gelesen wurde. Die Zwillinge wollten nicht mitgehen. Sie waren der Meinung, dass Gott so etwas niemals hätte zulassen dürfen, wenn es ihn dann gab.
Die Schwester würde es ihnen verzeihen, wenn sie aus dem Jenseits zuschaute.
Brian war in das Haus gegangen. Tommy. Abel wartete noch. Er warf einen Blick zurück und nahm die ländliche Idylle auf, in der ihr Elternhaus seinen Platz gefunden hatte. Hier waren sie aufgewachsen, hier hatten sie gespielt und waren über die Wiesen getollt, um die Rinder und Schafe auf den Weiden zu erschrecken.
»War doch eine schöne Zeit«, sagte Tom.
»Was meinst du?«
»Nichts, Brian.«
»Okay, ich bin im Wohnzimmer.«
»Gut, ich komme.« Tommy stellte die beiden Reisetaschen im Flur ab und ging die paar Schritte bis zum Wohnraum, in dem Brian vor dem Fenster stand und auf die mit Streublumen bewachsene Obstwiese schaute, die ihm die ländliche Idylle noch mal richtig vor Augen führte. Als er die roten Kugeln der Kirschen sah, schnalzte er mit der Zunge.
»Was ist los?«
»Die Kirschen. Die waren immer so gut.«
Brian nickte. »Bis du dir den Magen verdorben hast, als du zu viele Steine geschluckt hast.«
»Das war eine Wette gewesen.«
»Aus der ich mich herausgehalten habe.«
»Du hast schon immer den Durchblick gehabt, deshalb bist du auch der Kaufmann in der Firma.«
Beide grinsten sich an. Wer die Zwillinge gesehen hätte, der hätte nur beim zweiten oder dritten Hinsehen erkannt, dass es sich um Zwillinge handelte. Sie glichen sich zwar, aber Tommy hatte sich einen Bart wachsen lassen, der seine Kinnpartie wie ein braunes
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