1468 - Zentralplasma in Not
einen konkreten Grund dafür zu haben", fuhr Icho Tolot fort. „Das stimmt."
„Dann nenne uns jetzt diesen Grund."
„Ich fühle mich unwohl."
„Warum?"
„Wenn ich es logisch begründen könnte, wäre es kein Gefühl", bemerkte das Zentralplasma, und Punternat glaubte, eine Spur von Spott in seiner Stimme zu vernehmen. „Wie äußert sich dieses Gefühl?" fragte Icho Tolot unbeirrt weiter.
Der Posbi auf dem Bildschirm vollführte Bewegungen, die zur gleichen Zeit unruhig und matt wirkten. „Es ist schwer zu beschreiben", sagte das Zentralplasma dabei. „Irgend etwas stimmt nicht."
„Du mußt uns einen Anhaltspunkt geben", sagte Icho Tolot beschwörend. „Bist du krank?"
„Ja!" behauptete das Zentralplasma, und es klang beinahe erleichtert. „Ich glaube, so ist es. Ich bin krank. Ich bin müde, ohne einen Grund dafür zu haben. Ich kann mich zu nichts aufraffen. Meine Krafte schwinden dahin. Ich habe Angst."
„Das ist immerhin schon etwas", meinte Icho Tolot. „Ich nehme an, daß du das auch den Posbis mitgeteilt hast."
„Ich habe es versucht", erwiderte das Zentralplasma nachdenklich. „Aber ich glaube nicht, daß die Posbis mich in diesem Punkt verstehen können."
„Das steht auf einem anderen Blatt", sagte der Haluter geduldig. „Was haben die Posbis unternommen?
Haben sie dich untersucht?"
Punternat versuchte sich vorzustellen, wie man ein Wesen untersuchte, das in achtzig halbkugelförmigen Kuppeln von je zweihundert Metern Höhe steckte, und es schwindelte ihm bei diesem Gedanken. Er wunderte sich über sich selbst. Warum hatte er sich eigentlich nie zuvor Gedanken über dieses ungeheure Wesen gemacht? „Sie haben nichts gefunden", erklärte das Zentralplasma. „Sie haben Proben genommen, nach Erregern gesucht, die eingedrangen sein könnten, aber es ist nichts da."
„Wie sollte irgendein Erreger zu dir gelangen?" fragte Icho Tolot ein wenig verwundert. „Du bist doch von der Umwelt abgeschottet."
„Eine der Zuleitungen könnte undicht sein", erwiderte das Zentralplasma. Es klang unsicher, etwas zögernd. „Wurden die Zuleitungen überprüft?"
„Selbstverständlich - obwohl es eigentlich gar nicht nötig wäre, denn da kann es kein Leck geben. Wir hätten es in demselben Augenblick bemerken müssen, in dem es entstand. Das gesamte System wird ständig überwacht. Alle Meßgeräte zeigen normale Werte an."
Punternat fragte sich, wie viele solcher Meßgeräte und -stationen es geben mochte, und kam zu dem Schluß, daß es Tausende sein mußten. Er erinnerte sich vage daran, gehört zu haben, daß insgesamt fünfundzwanzigtausend Posbis und ebenso viele Matten-Willys in der Anlage beschäftigt waren - natürlich nicht alle auf einmal, sondern in Schichten, rund um die Uhr. Punternat selbst war ein Beispiel dafür, daß nicht alle unablässig nur um das Wohlergehen des Zentralplasmas bemüht waren, aber andererseits wußte der Matten-Willy sehr genau, daß er eine unrühmliche Ausnahme bildete. Weggelbil hatte ihm das oft genug unter die Nase gerieben.
Zum erstenmal rührte sich in Punternats Qehirn eine Spur von Verständnis für Weggelbils Verhalten, und er fühlte sich fast ein wenig schuldig. Das war natürlich albern, denn selbst wenn Punternat auf seine kleinen Eigenheiten verziehtet und sich ganz und gar seiner eigentlichen Aufgabe gewidmet hätte, so hätte sich dadurch nichts geändert. Er trug keine Schuld an der Misere des Zentralplasmas. Oder zumindest hoffte er das. „Wie steht es um die sonstigen Werte?" bohrte Icho Tolot geduldig nach. „Soviel ich weiß, brauchst du ganz bestimmte, konstant bleibende Lebensbedingungen."
„Auch da wurde bisher kein Fehler gefunden", erklärte das Zentralplasma, aber wieder zögerte es mit der Antwort. „Du klingst unsicher", stellte der Haluter fest. „Woran liegt das?"
„Ich weiß es nicht."
„Du bist mit den Meßwerten der Posbis nicht einverstanden. Ist es so?"
„Die Posbis machen keine Fehler", erwiderte das Zentralplasma. „Und es wäre der pure Wahnsinn, auch nur einen von ihnen der Sabotage zu verdächtigen. Sie alle geben sich redliche Mühe, und sie suchen wie besessen nach einem Fehler, der möglicherweise gar nicht existiert. Die Werte stimmen. Davon muß ich notgedrungen ausgehen."
„Aber es widerstrebt dir, dies zu tun."
„Wenn alles in Ordnung wäre, dürfte ich mich nicht so schlecht fühlen. Das rapide Nachlassen meiner Kräfte ist eine Tatsache, die sich unter den gegebenen Umständen nicht
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