1469 - Der Köpfer holt sie alle!
geraten haben«, murmelte ich. Durch den Druck der Beretta in seinem Rücken wies ich ihm die Richtung, und in die ging er auch ohne zu zögern.
Es gab keine Wege, die an den Seiten der alten Hütte vorbei führten. Wir liefen über den unebenen Boden, aus dem Steine wie kantige und auch spitze Stolperfallen hervorragten. Dass sich die Menschen hinter der Hütte aufhielten, hörten wir an den Geräuschen, wenn bei ihren Bewegungen die Kettenglieder gegeneinander klingelten.
Als erste Reaktion erlebte ich einen Aufschrei, als Anfor gesehen wurde. Die Menschen hatten ihn als einen der Peiniger wieder erkannt, aber sie sahen auch, dass der Scherge keine Waffe mehr trug.
Die lag vor der Hütte im Staub.
Anfor hörte die Schreie. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck der Furcht. Auch wenn die Menschen gefesselt waren, wollte er nicht mehr weitergehen.
Dagegen hatte ich etwas. Mit einigen Stößen in den Rücken sorgte ich dafür, dass er es sich anders überlegte.
Dann winkte ich dem alten Bernhard Abel zu, der sich mit einer schwachen Bewegung so weit aufraffte, dass er sich hinknien konnte. Ich sah Hoffnung in seinem Blick, und die wurde nicht enttäuscht, als ich ihm erklärte, was ich vorhatte.
»Ihr seid in wenigen Minuten frei. Keine Ketten mehr. Ihr könnt fliehen. Vielleicht schafft ihr es ja, dem Köpfer zu entgehen. Ich würde mich freuen.«
Der alte Abel nickte mir zu. »Ja«, flüsterte er mit rauer Stimme, »wir werden es versuchen.«
Ich lächelte ihm aufmunternd zu, bevor ich mich an Anfor wandte, der den Schlüssel bei sich trug.
»Du weißt, was du zu tun hast?«
Er nickte.
Ich musste nichts mehr sagen. Er wusste, was er zu tun hatte. An bestimmten Stellen des Kettengebindes gab es Schlösser, und die konnten mit diesem Schlüssel geöffnet werden.
Die Gefangenen saßen oder knieten. Sie konnten es kaum fassen, was mit ihnen passierte. Erst als sich die schweren Ketten von ihren Gelenken gelöst hatten, ging es ihnen besser.
Ich ließ Anfor nicht aus den Augen. Entkommen durfte er nicht. Er hätte den Köpfer zu leicht warnen können.
Als die letzte Kette gefallen war und sich auch die letzte Schelle gelöst hatte, ging ich zu ihm. Er hatte sich etwas abseits der Gefangenen hingestellt. Ich schaute ihn mit einem Blick an, der nichts Gutes verhieß. Er duckte sich darunter zusammen.
»Es tut mir leid, aber ich kann dich nicht laufen lassen. Die Lage ist nun mal so.«
Er sah die Waffe. Ich sah seine Angst. Dann hob ich meine Beretta an, schlug zu und schickte ihn ins Reich der Träume. Als er fiel, klatschten einige der Befreiten Beifall.
Ich drehte mich zu den Menschen um, die mit großen Augen auf mich schauten. Sie wagten nicht zu sprechen, und ich pickte mir wieder Bernhard Abel hervor.
»Es ist deine Sippe, die umgebracht werden sollte?«
»Ja, das hatte der Köpfer vor. Er ist der Herr auf der Burg, nachdem sich der Mönch dem Bösen geweiht hat. Er hält zur Hölle, denn sie soll ihm Kraft geben, die er dann weitergibt. Wer nicht zu ihm steht, ist gegen ihn, und von uns wollte sich keiner den Gesetzen der Hölle beugen.«
»Lebt er allein auf der Burg?«
»Ja, fast. Aber wenn er seine Schergen braucht, dann werden sie ihm geschickt. Niemand der hohen Herren in der Nähe würde es wagen, ihm einen Wunsch abzuschlagen. Für sie ist er ein Einsiedler, der unter dem Schutz des Teufels steht.«
»Dann würde ich auf ihn treffen, wenn ich zur Burg hinauf gehe?«
»Das denke ich mir.«
Ich nickte. »Gut, dann werde ich mich auf den Weg machen.«
Der alte Mann schaute mich an, als hätte ich völlig den Verstand verloren. Er konnte nicht begreifen, dass sich jemand freiwillig in die Höhle des Löwen wagte.
»Wisst Ihr denn nicht, wie grausam er sein kann?« fragte er mit zitternder Stimme.
Ich lächelte. »Ja, das weiß ich. Aber ich habe es gelernt, mich zu wehren. Es ist in gewisser Hinsicht meine Pflicht, die Familie Abel zu retten. Wenn ihr jetzt flieht, wird sich eure Familie fortpflanzen über die Jahrhunderte hinweg. Das sei euch gegönnt.«
Der alte Mann überlegte. Er strich durch seinen Bart und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war aufgeregt, und er fragte mit leiser Stimme nach dem Köpfer.
»Was ist mit Orson Walcott?«
»Ich kann es nicht genau sagen. Das wird die Zeit ergeben.« So wich ich einer direkten Antwort aus. Er brauchte nicht zu wissen, dass sich der Kampf über Jahrhunderte fortsetzen würde.
»Nehmt die Pferde. Reitet so schnell wie möglich
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