1472 - Wahnsinn in Manhattan
nichts mit den Häusern zu tun. Wir wollen nur jemanden besuchen, das ist alles.«
Ihre Haltungen entspannten sich.
»Wen wollt ihr besuchen?«
»Susan Walters«, sagte Suko.
»Ach so.«
»Was heißt das?«
»Das könnt ihr euch sparen. Sie ist nicht da.«
»Wohnt sie nicht mehr hier?«
»Doch, aber sie ist seit zwei Tagen verschwunden. Keiner weiß, wo sie sich herumtreibt.«
»Das ist schade.«
»Ja, für euch. Und deshalb könnt ihr abhauen.«
So weit waren wir noch nicht. Ich wies auf die Treppe.
»In welcher Etage wohnt sie denn?«
»In der zweiten.«
»Und sicherlich nicht allein.«
»Nein, aber es weiß keiner, wo sie steckt.«
»Das wollen wir gern selbst herausfinden.«
Nach dieser Antwort waren die beiden zunächst einmal sprachlos.
Dann fingen sie an nachzudenken, das sah man ihnen an. Sie schüttelten die Köpfe. Es passte ihnen wohl alles nicht, aber sie zeigten keine Aggressivität mehr, und die nächste Frage erklärte uns auch den Grund.
»Seid ihr Bullen?«
»Vom Yard«, sagte Suko.
Einen Ausweis brauchten wir ihnen nicht zu zeigen. Sie lachten sogar und gingen davon aus, dass wir Susan Walters einbuchten wollten.
»Worum geht es?«
»Wir wollen sie einfach nur finden.« Ich ging bereits auf die Treppe zu. »Die zweite Etage war es, nicht?«
»Ja.«
»Welche Tür?«
»Die der Treppe gegenüber liegt.«
»Danke für die Auskünfte.«
Wir stiefelten los und keiner folgte uns. In den einzelnen Etagen stand manche Wohnungstür offen. Die Menschen, die dort hausten, waren nur leicht bekleidet. Die Gerüche wurden immer intensiver.
Vor allen Dingen gesellten sich menschliche Ausdünstungen hinzu, sodass ich lieber nur flach atmete.
Die Treppe war aus Stein, nur das Geländer bestand aus Holz und hatte seine beste Zeit längst hinter sich.
In der zweiten Etage stand das Flurfenster offen. Auf der Fensterbank stand ein Topf, aus dem eine vertrocknete Blume hervorschaute. Da sahen die Blumen auf der Hauswand schon besser aus.
Die Tür gegenüber der Treppe war nicht geschlossen. Ich brauchte nur mit dem Fuß dagegen zu drücken, und schon schwang sie leicht quietschend nach innen.
Wir schauten in eine Küche, die sogar recht sauber war. Auf den ersten Blick fiel uns das alte Sofa auf. Auf ihm lag eine Frau, die tief und fest schlief. Sogar die summenden Fliegen dicht über ihrem Gesicht konnten sie nicht aufwecken.
Eine zweite Tür führte in einen Nebenraum. Sie war allerdings geschlossen.
Suko drückte die Wohnungstür ins Schloss.
Ich ging auf Zehenspitzen auf die Schlafende zu. Es war eine Farbige. Ihre Haut sah aus wie dunkelbrauner Samt. Schweißperlen lagen darauf. Die Augen waren geschlossen. Das glatte, gegelte Haar zeigte am Stirnansatz einen feuchten Film. Aus dem halb geöffneten Mund drangen leise Schnarchtöne.
Bekleidet war die schlafende Person mit einem Gewand, das bis zu den Waden reichte. Der Stoff bestand aus gelb eingefärbtem Leinen.
Durch ein Fenster drang ein schwacher Luftzug, der über meinen Handrücken strich, als ich die Schlafende berührte. Ich wollte, dass sie erwachte, um mit ihr über Susan Walters reden zu können.
Ein Antippen brachte mich nicht weiter. Ich musste sie schon an der Schulter rütteln. Ein unwilliges Kopf schütteln, ein Zucken der Augenlider, dann schaute sie mich an. Zwei Sekunden geschah nichts.
Ich hatte geahnt, welche Reaktion folgen würde, und war sicherheitshalber etwas zurückgegangen.
Die Frau fuhr in die Höhe, wobei ein spitzer Schrei aus ihrem Mund drang. Sie blieb sitzen und drückte beide Handflächen gegen ihre Wangen.
Ich lächelte sie an. Sprechen konnte ich später. Ich wollte zunächst ihre Reaktion abwarten.
Sie saß jetzt und hatte den Rücken gegen die Lehne gepresst. Sie schaute nach rechts und links, sah Suko, dann wieder mich und flüsterte etwas, das keiner von uns verstand.
»Bitte«, sagte ich. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Unser Besuch ist harmlos.«
»Aber wer sind Sie?«
Ich stellte mich vor und vergaß auch Suko nicht. Die Hände der Frau fielen herab. Es war für mich ein erster Beweis, dass sie sich entspannte.
»Und wie heißen Sie?« fragte Suko.
»Dora Caine.«
»Gut, Dora. Würde es Sie sehr stören, wenn wir Ihnen sagen, dass wir von der Polizei sind?«
»Wieso?«
»Scotland Yard«, erklärte ich.
Sie hatte ihre Haltung bisher nicht verändert. Damit war es jetzt vorbei, denn der Name unserer Firma schien ihr nicht zu gefallen.
Ihr Blick wurde abweisend.
Ich
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