1472 - Wahnsinn in Manhattan
es nicht offen vor mir, aber es schaute schon aus meiner linken Faust hervor, und natürlich war das Blinken des Lichts auf dem oberen Balkenende zu sehen, denn mein Talisman hatte Witterung aufgenommen.
Der Tod tat nichts.
Ich überwand den letzten Rest der Entfernung mit einem Schritt.
Genau jetzt hätte ich gegen die Grenze der anderen Welt stoßen müssen. Ich hatte zudem das Kreuz vorgestreckt und erlebte etwas, was mich nicht mal sonderlich überraschte.
Die andere Welt zog sich zurück. Die Szenerie verblasste, und zwei Atemzüge später war sie nicht mehr da, sodass ich das Nachsehen hatte.
Vorbei!
Ich drehte mich um. Sukos Augenbrauen waren angehoben, und als er mich so anschaute, da hob ich die Schultern und gab ihm so bereits die Antworten auf seine Fragen.
»Ich habe viel gesehen und nichts erreicht.«
»Wenigstens hat er seine Schlange nicht mehr.«
»Davon können wir uns auch nichts kaufen.«
Wir kümmerten uns um Susan Walters. Rauchfäden wehten an uns vorbei. Da wussten wir, dass sich die hinter uns stehende Dora Caine eine Zigarette angezündet hatte.
Sie sprach uns auch an und sagte: »Ich habe Angst, verdammt. Was ich hier gesehen habe, das war doch Wahnsinn. Das kann man keinem Menschen erzählen, so etwas ist einfach nicht zu glauben. Wer war denn diese verfluchte Gestalt, zum Henker?«
Ich drehte mich zu ihr um. »Ein Symbol, Dora, mehr nicht.«
»Der Tod ist für das Sterben zuständig, nicht wahr?«
»So sagt man.«
»Aber ich will nicht sterben. Ich will leben, auch wenn das Dasein manchmal noch so beschissen ist.« Sie wies auf Susan. »Ich will auch nicht so aussehen wie sie.«
»Das werden Sie auch nicht, Dora.«
»Schön. Und was macht ihr jetzt?« Sie hatte zugleich geraucht und gesprochen. Danach musste sie husten.
»Sobald die Ambulanz eingetroffen ist, werden wir aus Ihrer Wohnung verschwinden. Dann haben Sie Ruhe.«
»Und wenn diese Horrorgestalt hierher zurückkehrt?«
»Ich kann Ihnen versprechen, dass wir uns um den Tod kümmern werden und um alles, was mit diesem Skelett in einem Zusammenhang steht.«
Sie fasste an ihren Hals. »Auch um Schlangen?«
»Ja«, sagte Suko, »auch darum, wenn es denn sein muss…«
***
Glenda hatte den Kaffee frisch gekocht, und es war mir auch egal, wie sehr die Hitze über der Stadt brütete. Ich brauchte ihn einfach.
Susan Walters war in ein Krankenhaus gebracht worden, in dem man sich um ihre Verletzungen kümmerte. Durch einen Telefonanruf hatte ich erfahren, dass sie aus der Bewusstlosigkeit erwacht war und sich kaum an etwas erinnern konnte. Sie lag einfach nur apathisch da.
»Das ist ein Fall«, sagte Suko und schüttelte den Kopf. »An so was kann ich mich nicht erinnern.«
»Ich auch nicht«, murmelte ich. »Was oder wer ist dieser Tod?«
»Ein Menschenfänger«, sagte Glenda, die ebenfalls bei uns saß.
»Aber im negativen Sinn des Wortes. Er hat sich etwas aufgebaut und bringt durch dieses Theaterstück Menschen dazu, sich in seine Welt zu begeben. Er fängt sie ein.« Glenda hob die Schultern. »Aber was das für eine Welt ist, kann ich euch auch nicht sagen.«
»Eine Welt des Todes.«
»Genauer, John.«
»Sorry.«
»Genau das sage ich auch.« Glenda nickte. »Wahnsinn in Manhattan! Überlegt mal genau. Wenn ein Theaterstück so heißt, ist es ganz natürlich, dass die Leute hinlaufen, um sich die Aufführung anzuschauen. So hat er seine Zuschauer, und ich kann mir vorstellen, dass er mit Susan Walters nur einen Anfang gemacht hat. Das dicke Ende kommt nach. Zudem ist diese Aufführung schon jetzt so etwas wie ein Kultstück. Ich habe im Internet nachgeschaut. Die Seiten sind von Fans hineingesetzt worden, die das Stück gesehen haben, und sie waren durch die Bank alle begeistert.«
»Gut recherchiert.« Ich lächelte. »Kannst du uns auch sagen, wer da alles mitspielt?«
»Klar kann ich das.« Glenda verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Der Tod…«
»Und weiter?«
»Der Tod…«
»Das reicht nicht. Was ist…«
Glenda ließ mich nicht aussprechen. »Der Tod ist die Hauptperson. Er und die Kulisse. Wie ich aus dem Internet erfahren habe, holt er sich die Akteure aus dem Publikum. Wie eben Susan Walters.«
Suko hob einen Finger. »Moment. Wenn das so ist, müsste es noch mehrere Menschen geben, die das Gleiche erlebt haben wie Susan.«
»Das kann sein. Direkt habe ich auf den Seiten nichts gelesen. Aber da wurde von außergewöhnlichen Glücksgefühlen gesprochen, die man als Akteur erleben
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