1482 - Clarissas Sündenfall
und hätten besser die Umgebung im Auge behalten sollen.
Das war wegen der Düsternis des Hintergrunds recht schwierig gewesen, und so mussten wir sie kommen lassen.
Sie waren zu dritt, und zwischen zwei in Leder gekleideten Rockern ging eine Frau, deren Haare mich an die der Vampirin Justine Cavallo erinnerten.
Ich hätte das nicht mal als so problematisch angesehen, wenn der bärtige Typ keine Schnellfeuerpistole in der Hand gehalten hätte, deren Mündung mehr auf die beiden Frauen zeigte als auf mich…
***
Clarissa hatte in der Ecke gestanden und gezittert. Sie hatte sich gewünscht, nicht entdeckt zu werden, und dieser Wunsch erfüllte sich auch, denn die Besucher hatten nur Augen für die Oberin, und mir ihr sprachen sie auch.
Clarissa blieb außen vor. Sie stand in der Dämmerung, und sie wäre auch zu sehen gewesen, aber die andere Seite hatte zum Glück keinen Blick für sie.
Ihre Hoffnung erfüllte sich. Die Oberin ging mit den vier Besuchern dorthin, wo sich die Gästezimmer befanden. Dass einer der Männer gestützt werden musste, fiel auch Clarissa auf. So musste sie davon ausgehen, dass es ihm nicht gut ging.
Sie verschwanden im Flur, und Clarissa zögerte keine Sekunde mehr, ihre Deckung zu verlassen. Sie huschte auf die Treppe zu und sorgte auch dafür, dass sie so leise wie möglich die Etage erreichte, in der sich ihr Zimmer befand.
Vor der Tür blieb sie stehen, lehnte sich dagegen und wartete, bis sich ihr trommelnder Herzschlag beruhigt hatte. Der Schweiß aber klebte noch auf ihrer Stirn. Es war wichtig, dass man sie nicht gesehen hatte, denn sie wollte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Hintergrund bleiben.
Als sie schließlich die Tür öffnete, da lächelte sie, denn sie freute sich über die etwas kühlere Luft, die ihr durch das offene Fenster entgegen wehte.
Sie musste jetzt die Nerven behalten. Nur nichts falsch machen.
Die Ruhe wieder finden, auch, wenn es ihr nicht leicht fiel. Sie hatte die Tür geschlossen, der leichte Wind kühlte ihre Stirn, aber sie lehnte sich nicht aus dem offenen Fenster, denn sie wollte auf keinen Fall gesehen werden.
Sie war allein und wollte über ihre Aufgabe nachdenken.
Die Sühne stand an erster Stelle!
Das Wort hatte sie geprägt. Auch jetzt dachte sie immer daran. Sie bekam es nicht aus dem Kopf, und es wurde ihr immer wieder hart eingehämmert, sodass sie es nie vergessen konnte.
Sühne oder sühnen…
Es war für sie schlimm und zugleich eine Befreiung. Die konnte sie nur erreichen, wenn sie etwas Bestimmtes tat, und eine solche Tat wäre für sie keine Premiere gewesen.
Vier Männer und eine Frau.
Alle fremd.
Alle exotisch wirkend, wobei sie davon ausging, dass sie nicht zur normalen menschlichen Gemeinschaft gehörten. Sie waren auch nicht in friedlicher Absicht hier erschienen. Wer sie sah und nur ein wenig sensibel war, der roch die Aura der Gewalt, die von ihnen ausströmte, wobei die Frau keine Ausnahme machte.
Und plötzlich musste sie lachen. Es war kein lautes Lachen, mehr ein Kichern und Glucksen.
Der Himmel hat sie mir geschickt!, dachte Clarissa. Nur der Himmel. Er steht noch auf meiner Seite, trotz allem. Der Himmel zeigt mir den Weg zu ihm.
Nach diesem Gedanken fiel sie auf die Knie. Aber nicht, um zu beten. Sie hatte etwas anderes vor. Wie immer lagen die beiden etwas klobigen Gartenscheren unter dem Bett, das Clarissa als ein ideales Versteck ansah. Sie streckte die beiden Arme aus, und mit einem zielsicheren Griff hatte sie die Waffen gefunden.
Mit ihnen zusammen richtete sie sich wieder auf. Ihre Augen nahmen einen kalten Glanz an, als sie sich die Scheren anschaute. Der Atem zischte aus ihrem Mund, und der Begriff Sühne drängte sich mit aller Macht in ihr Bewusstsein. Clarissa wusste jetzt genau, was sie zu tun hatte, um ihre Schuld abbauen zu können.
Würden vier Leichen reichen?
Ja, davon ging sie aus, und sie hoffte stark, dass sie es schaffte, die Menschen zur Hölle zu schicken, ohne dass sie dabei selbst in Lebensgefahr geriet.
Die außen an der Tracht aufgenähten Taschen waren breit und tief genug, um die Waffen darin verschwinden zu lassen. So ging sie auf Nummer Sicher. Sollte ihr jemand begegnen, würde er sie normal sehen, aber nicht bewaffnet.
Alles passte.
Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, schaute sie in den leeren Gang. Ihre Mitschwestern gingen ihren Aufgaben im Klostergarten nach, auf den die Oberin so stolz war.
Es war der übliche Weg, den sie gehen musste. Zur Treppe, dann
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