1482 - Clarissas Sündenfall
an Jane heranschob. Sehr dicht sogar. Fast schien es, als wollte sie die Detektivin umarmen.
»He, so ein Abschiedsschmerz!« spottete Ginny.
»Ich habe ihr nur gesagt, dass sie sich nicht fürchten soll. Das ist alles.«
»Klar, du bist ja eine Nonne.«
Die Oberin trat von Jane weg. »Ja, das bin ich, und ich kann Ihnen sagen, dass ich sehr stolz darauf bin.«
»Okay, meinetwegen. Aber jetzt lass uns verschwinden.« Elton schaute noch mal auf Jane und mich. »Irgendwas stimmt nicht mit euch«, flüsterte er. »Aber das kriege ich noch heraus.«
Mehr sagte er nicht. Als Letzter verließ er die Küche und winkte uns noch mit seiner Waffe zu. Dann zog er die Tür zu, die ins Schloss knallte.
Wir hörten, wie der Schlüssel herumgedreht wurde, und konnten uns mit dem Gedanken vertraut machen, eingeschlossen zu sein, und das bei vergitterten Fenstern.
»Ich glaube«, sagte ich zu Jane Collins, »wir haben uns wie die letzten Trottel benommen.«
Sie setzte sich auf den Küchentisch. »Was hätten wir denn deiner Ansicht nach anderes tun sollen?«
»Ich weiß es nicht. Aber es war auch schwer, sich zu wehren, ohne dass jemand in Gefahr geraten wäre.«
»Stimmt.«
»Ich sehe mir mal die Fenster an. Öffnen kann man sie ja und…«
»Lass es.«
»Warum?«
»Weil es nicht nötig ist.«
Ich war schon auf dem Weg. Janes Antwort hatten mich stutzig gemacht, und ich drehte mich zu ihr um.
Sie saß noch immer auf dem Tisch. Jetzt strahlte sie über das ganze Gesicht. Allerdings sah ich noch mehr. Sie hielt zwischen zwei Fingern einen Schlüssel und hatte die rechte Hand dabei halb erhoben.
»Schau mal, was ich hier habe.« Ihr Lächeln wurde so breit, dass es gar nicht mehr breiter ging.
»Einen Schlüssel.«
»Genau, John. Und den hat mir die Oberin zugesteckt. Es muss ein Generalschlüssel sein, mit dem wir die Tür hier öffnen können. Die Frau weiß, was sie will. Deshalb hat sie sich so nahe an mich her angedrückt.«
»Kompliment, kann ich nur sagen.«
Jane ließ die Hand wieder sinken. »Und wann sollen wir verschwinden?«
»Nicht sofort. Wir geben ihnen einen Vorsprung und versuchen, uns möglichst unsichtbar zu machen.«
»Hast du nicht mit dem Gedanken gespielt, deine Kollegen anzurufen? Wir haben hier schließlich eine Geiselnahme.«
»Nicht direkt«, wehrte ich ab.
»Die Rocker haben jedenfalls Dreck am Stecken«, folgerte Jane.
»Umsonst lassen sie ihren Kumpel nicht hier versorgen, statt bei einem Doktor. Wer weiß, wo er sich die Verwundung zugezogen hat.«
Ich musste lachen. »Profis sind sie jedenfalls keine. Sie haben uns nicht durchsucht und uns nicht mal unsere Handys abgenommen. Das wäre das Erste, was ich getan hätte. Typen wie die überschätzen sich oft. Die setzen allein auf ihr Aussehen, das anderen Angst einjagen soll. Und bei den meisten Menschen kommen sie damit auch durch.«
Jane stimmte mir durch ein Nicken zu und machte sich auf den Weg zur Tür. Ich blieb im Hintergrund, als sie sich mit dem Schloss beschäftigte.
Sie fummelte mit dem Generalschlüssel, der wie ein kunstvoll gebogener Draht aussah, im Schloss herum.
Solche Aufgaben übernahm ansonsten mein Freund Suko. Aber hier war Jane die Tüftlerin und lachte auf, als sie einen Erfolg erzielt hatte.
»Offen?« fragte ich.
»Ja.«
»Dann warte ab.«
Jane richtete sich wieder auf. »Was meinst du, was ich sonst getan hätte?« Sie sah mich an und reckte ihr Kinn vor. »Also, Mister Geisterjäger, was tun wir?«
»Wir verhalten uns erst mal still.«
»Einverstanden. Aber reden können wir doch?«
Ich winkte ab, bevor ich sagte: »Uns stehen ja verschiedene Möglichkeiten offen. Wir können in der unteren Etage bleiben oder nach oben gehen.«
»Das wäre besser. Da können wir die Typen dann kommen lassen, wenn sie gemerkt haben, dass wir nicht mehr da sind.«
»So dachte ich auch.«
»Und ich habe nicht vergessen, weshalb wir wirklich hier sind. Es geht um einen verdammt brutalen Mord.«
»Darauf werden wir noch zurückkommen.«
Jane nickte. Sie hob den rechten Daumen an und traf Anstalten, die Küche zu verlassen. Behutsam drückte sie die Klinke. Noch mal würden wir uns nicht überraschen lassen.
Ich sah, dass Jane die Tür spaltbreit öffnete und dann in dieser Stellung verharrte.
Sie warf zuerst einen Blick in den Flur.
Ich stand dicht hinter ihr und sah, dass sie sich entspannte. Sie hatte nichts gesehen, das für uns hätte gefährlich werden können.
»Die Luft ist rein.«
»Gut.«
Es
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