1482 - Clarissas Sündenfall
sich, dass sie freie Bahn hatte.
Die anderen drei Rocker würde sie trotzdem finden, denn sie hatte sich vorgenommen, alle vier zu vernichten, denn sie glaubte daran, dass dann ihr Sühneweg beendet war.
Sie konnte sich Zeit lassen. Sie würde dafür sorgen, dass keiner der Rocker aus dem Kloster entkam.
Bis sich die Lage urplötzlich änderte und sie auf der Stelle stehen blieb und zusammenzuckte.
Stimmenklang wehte in ihre Richtung. Sie brauchte nicht nachzudenken, um zu wissen, woher er sie erreichte. Es war der Weg, der zur Küche führte.
Plötzlich hatte sie es eilig. Mit schnellen Schritten huschte sie auf die Treppe zu und ging so weit nach oben, dass sie von dort aus alles beobachten konnte. Wenn die Menschen den Flur zur Küche verließen, dann mussten sie in ihr Blickfeld gelangen.
Es traf auch ein.
Die drei Rocker waren da. Sie hatten die Oberin in die Mitte genommen, und dieses Bild wies darauf hin, dass Angela ihre Gefangene war und tun musste, was sie von ihr verlangten.
In Clarissa kochte es. Der Hass stieg in ihr hoch. Er sorgte sogar für rote Schleier vor ihren Augen. Noch ein Grund mehr, um die Eindringlinge zur Hölle zu schicken.
Als sie einen bestimmten Punkt erreicht hatten, stellte sich die Frage, wohin sie sich wenden würden. Das Kloster würden sie bestimmt nicht verlassen. Clarissa ging davon aus, dass sie zu ihrem verletzten Kumpan gehen würden, um ihn zu trösten oder wie auch immer.
Sie taten es.
Für Clarissa wurde es Zeit, zu verschwinden. Nach unten konnte sie nicht. Sie musste die Treppe weiter hoch laufen und sich in ihrem Zimmer für eine Weile verstecken.
Sie konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Es war alles perfekt für sie gelaufen. Jetzt musste sie nur abwarten, bis sich wieder eine günstige Gelegenheit ergab – und die würde kommen, darauf setzte sie…
***
»Ich kann wirklich nichts für Ihren Freund tun!« wiederholte die Oberin nun schon zum dritten Mal. »Warum glauben Sie mir nicht endlich?«
»Abwarten!« erwiderte Elton.
»Er braucht einen Arzt!«
»Ja, das wissen wir. Und wir werden ihn uns ansehen. Danach entscheiden wir. Aber du, Schwester, wirst den Arzt herholen. Er soll nur seine Pflicht tun, verstehst du? Nur seine Pflicht!«
Der Rocker starrte ihr ins Gesicht. Sie hatten mittlerweile das Zimmer erreicht und blieben vor der Tür stehen.
»Ja, ich verstehe«, flüsterte die Oberin und startete einen letzten Versuch. »Wobei es für Sie wirklich besser wäre, wenn Sie von hier verschwinden. Glauben Sie mir.«
»Ach, und warum diese Sorge?« fragte Ginny spottend.
Angela dachte kurz nach. Dann schüttelte sie den Kopf und winkte zugleich ab. »Lassen wir das lieber.«
»Ist auch besser so.« Elton deutete auf die Tür und machte der Schwester klar, dass sie als Erste das Zimmer betreten sollte.
Angela zögerte. Es wäre kein Problem gewesen, die Tür zu öffnen, aber etwas hielt sie zurück. Sie hatte plötzlich ein ungutes Gefühl, und das hing damit zusammen, dass sie in diesem Augenblick an Clarissa denken musste.
»Los, geh endlich rein!« knurrte Elton.
Die Oberin nickte nur. Sie konnte plötzlich nicht mehr sprechen.
Ein dicker Kloß steckte in ihrer Kehle. Mit einem unguten Gefühl im Magen und recht wackligen Knien drückte Angela die Tür des Zimmers auf.
Das fahle Tageslicht bahnte sich seinen Weg durch das Fenster. Es erreichte die kargen Einrichtungsgegenstände, zu denen auch das Bett zählte. Die Oberin sah es, als sie den nächsten Schritt nach vorn tat, und blieb abrupt stehen. Sie konnte nicht reden, nicht schreien, auch nicht mehr atmen. Das blanke Entsetzen hatte sie stumm werden lassen, und sie merkte kaum, dass ihre Starre wich und sie nach vorn taumelte. Noch vor dem Bett fand sie wieder Halt, weil sie sich am Rand des Waschbeckens abgestützt hatte.
Es war grausam. Oddie lag in seinem Blut. Sein Gesicht war kaum mehr zu erkennen. Hier hatte jemand schrecklich gewütet. Die Oberin wusste, wem sie diesen Mord anlasten musste, aber sie hütete sich, etwas zu sagen.
Sie sah den Toten, das war die Realität, aber Angela schien sich zugleich davon entfernt zu haben. Ein Schutzmechanismus hatte gegriffen und sorgte dafür, dass sie nicht einmal aufschrie.
Dafür Ginny!
Die Oberin hatte noch nie in ihrem Leben einen Menschen so schreien gehört. Ginny brüllte sich die Lunge aus dem Leib. Sie schrie wie unter der Folter, und erst als Elton ihr gegen den Mund schlug, hörte sie auf. Dafür drehte sich Ginny um
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