1484 - Der Teufel von Venedig
hat, dass diese Laura Ihr Haus betreten hat.«
»Dann weiß dieser Jemand mehr als ich.«
»Das kann sein.«
»Wann und wo hat er das gesehen?«
»Heute Abend.«
Sie hob die Schultern. »Bitte, Sie haben die Schülerinnen gesehen. Befand sich Ihre Laura darunter?«
»Ich denke nicht.«
»Dann ist sie auch nicht hier.«
»Und von einem Hinterausgang wissen Sie nichts?« fragte ich recht locker.
»Hier im Palazzo?«
»Ja.«
»Wir gehen allesamt durch den vorderen. An der Rückseite fließt der Kanal.« Sie deutete in die Runde und meinte damit den Saal, der einen Holzboden hatte, weiß getünchte Wände und eben die lange Spiegelseite. »Ich habe das hier alles nach meinen Angaben umbauen lassen. Ich leite eine Ballettschule und habe es nicht nötig, mir irgendwelche dumme Fragen stellen zu lassen.«
»Wenn es um vier möglicherweise tote Menschen geht, dann gibt es keine dummen Fragen«, konterte Orbino, »und ich weiß, dass dieses Haus einen Hintereingang am Wasser hat.«
»Dann wissen Sie mehr als ich.«
»Sie kennen nicht die Steigeisen, die zu einer bestimmten Tür hinaufführen?«
Claudia Amalfi legte ihren Kopf zurück und fing an zu lachen. Es hörte sich unecht an.
»Ach, das meinen Sie!« rief sie dann und winkte ab. »Mein Gott, Commissario, das ist kein Hinterausgang, es ist nur eine Luke. Ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Dort hat man früher angelegt, um Waren zu entladen. Mehr ist es nicht. Und da reden Sie von einem Hintereingang. Verrückt.«
»Es ist nur seltsam, dass dort jemand hineingegangen ist.«
»Ach. Und wer?«
»Diese Laura Facetti, von der wir gesprochen haben. Sie kletterte die Steigeisen hoch und verschwand im Haus, nachdem die Tür ge öffnet worden war. Es scheint also doch ein Eingang zu sein, der auch in der heutigen Zeit noch benutzt wird.«
Signora Amalfi reckte das glatte Kinn vor. »Wer hat Ihnen denn das berichtet, Commissario?«
»Ein glaubwürdiger Zeuge.«
»Er hat sich geirrt. Er wollte sich wahrscheinlich nur wichtig machen.«
»Aber den Zugang gibt es.«
»Ja, schon. Ich bestreite es nicht, aber ich bestreite, dass jemand von dort aus mein Haus betreten hat. Mehr habe ich Ihnen nicht zu sagen. Bei einem nächsten Gespräch, sollte es dazu kommen, wird Ihr Vorgesetzter dabei sein und auch mein Anwalt. Und jetzt verlassen Sie bitte mein Haus. Sie haben schon zu viel von meiner Zeit in Anspruch genommen.«
Wir hatten nichts in der Hand. Und es gab keinen Durchsuchungsbefehl, den wir hätten vorweisen können. Wir waren auf ihre Gnade und Zustimmung angewiesen, und sie war eine Frau mit blendenden Beziehungen. Daran dachte wohl auch der Kollege Mario Orbino, sonst hätte er sein Gesicht nicht so verzogen.
Ich ärgerte mich, dass unser Besuch so verlaufen war. Denn ich war fest davon überzeugt, dass diese Person Dreck am Stecken hatte. Die Normalität hier war nichts als Fassade. Dahinter lauerte etwas ganz anderes, davon ging ich aus.
Ich schaute in den Spiegel, der die gesamte Wand einnahm. Und ich war froh, dass der Commissario noch mit der Besitzerin sprach.
In der Fläche malten sich auch Suko und der arrogante Typ ab. Mein Freund ließ den Kerl nicht aus den Augen, der sich alles andere als locker gab und wie auf dem Sprung stand.
Die Spiegelwand.
Glatt von einer Seite bis zur anderen. Davor befand sich die Ballettstange, an der die Übungen durchgeführt wurden. Sie war etwas mehr als einen Meter von der Spiegel wand entfernt im Boden verankert.
Was störte mich?
Vielleicht waren es die Ausmaße. Der Saal war breiter als tief. Dabei hatte ich den Eindruck, dass die Proportionen nicht stimmten, und nach kurzem Überlegen kam ich zu einem Ergebnis. Es konnte durchaus möglich sein, dass dieser Saal durch eine nachträglich eingebaute Spiegelwand geteilt worden war und dass es dahinter noch etwas anderes gab.
Wieder nahm ich sie genau unter die Lupe.
Eine glatte Fläche und…
Nein, das war sie nicht. Es gab einige Stellen, die nicht durchgehend diese Glätte zeigten. Es sah aus, als gäbe es dort zwei geschlossene Türen in der Spiegelwand.
»He, was schauen Sie so, Mr. Sinclair?« fragte die Blonde plötzlich.
»Sind Sie ein Narziss? Gefällt es Ihnen, sich im Spiegel zu betrachten?«
»Bestimmt nicht!«
»Und warum schauen Sie dann so?«
Ich drehte mich zu ihr um. Claudia Amalfi hatte die Hände in die Hüften gestützt und durchbohrte mich fast mit ihren Blicken. Auch wenn sie sich nicht bewegte, sie stand unter
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