1484 - Der Teufel von Venedig
die Elevinnen gewartet. Als wäre ihnen der Saft abgedreht worden, so hörte alles auf.
Das Klavierspiel verstummte, und es bewegte sich auch niemand mehr an der langen Stange. Die Szene war wie erstarrt.
Dann drehte sich die Amalfi um.
»Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden«, erklärte der Commissario.
»Und wer sind Sie?«
Er stellte sich vor.
Die Frau nahm den Namen hin, ohne bei der Nennung seines Berufs eine Reaktion zu zeigen. Schließlich deutete sie ein Nicken an und erklärte uns, dass wir warten sollten.
»Gern, Signora Amalfi.«
Ohne uns weiterhin zu beachten, drehte sie sich um, wandte sich an ihre Schülerinnen, die wie Soldaten auf der Stelle standen und ihre Chefin anblickten.
»Ihr könnt jetzt gehen. Die Probe ist beendet. Aber was ich sah, das hat mich nicht überzeugt. Ich denke, dass ihr noch zu Hause üben solltet. Beim nächsten Treffen hier will ich bessere Leistungen sehen. Habt ihr das kapiert?«
»Si, Signora!« antworteten sie im Chor.
»Dann geht jetzt!«
Hier wurde ein hartes Regiment geführt, aber deshalb waren wir nicht gekommen. Uns ging es um die vier verschwundenen Touristinnen.
Mit gesenkten Köpfen liefen die Schülerinnen an uns vorbei. Auch der Klavierspieler hatte seine Notenhefte zusammengerafft und beeilte sich, das Weite zu suchen.
Erst jetzt war die Frau bereit, mit uns zu sprechen. Sie stellte sich uns mit vollem Namen vor.
»Ich bin Claudia Amalfi. Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden.«
»Worüber? Und gleich zu dritt?«
»Ja, es ist wichtig«, erklärte unser Kollege.
Claudia Amalfi war nicht anzusehen, ob unser Besuch sie störte oder nicht. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos. Vom Alter her hatte sie das vierzigste Lebensjahr bereits überschritten. Ihr hartes Gesicht war makellos geschminkt. Nicht eine Falte war dort zu sehen. Diese glatte Haut passte perfekt zu dem in der Stadt überall vorhandenen Marmor.
Ihre Lippen zeigten ein blasses Rosa mit einem Perlmuttschimmer.
»Wer sind Ihre Begleiter, Commissario?«
Er wollte Suko und mich vorstellen. Das allerdings übernahmen wir selbst.
Und jetzt wunderte sich die Frau. Sie hob sogar ihre Augenbrauen an. Die erste Reaktion, die wir an ihr sahen.
»Danke, ich weiß jetzt Bescheid. Und was verschafft mir das zweifelhafte Vergnügen Ihres Besuchs, meine Herren?« Sie sprach jetzt Englisch.
Ich übernahm die Antwort. »Es geht um die Aufklärung mehrerer Verbrechen.«
»Ach, und da kommen Sie zu mir?«
»Wir hatten gehofft, einen Signore Amalfi anzutreffen. Aber das scheint nicht der Fall zu sein.«
»Mein Bruder befindet sich auf einer Geschäftsreise in Asien. Ich weiß nicht, wann er zurückkehrt.«
»Dann müssten wir Sie befragen, Signora«, sagte der Commissario.
Sie verschränkte die Hände auf dem Rücken. »Ich glaube nicht, dass ich über die Geschäfte meines Bruders informiert bin. Das weiß nur er, und damit hätte sich Ihr Auftritt in unserem Haus schon erledigt.«
Orbino lächelte, bevor er sagte: »Sie haben vollkommen recht. Nur geht es uns nicht um irgendwelche Geschäfte, die Ihr Bruder getätigt hat oder dabei ist zu tätigen.«
»Sie überraschen mich. Um was geht es dann?«
»Und vier vermisste Frauen!« erklärte ich und ging einen langen Schritt auf die Blonde zu, die kein einziges Schmuckstück zu ihrem schwarzen Hosenanzug trug.
»Bitte?«
Ich stoppte und wiederholte meine letzte Bemerkung. Dabei hoffte ich, sie zu verunsichern, aber sie bliebaalglatt und gelassen. Nicht mal ihre Lippen zuckten.
Doch, sie konnte plötzlich lächeln. Nur gefiel es mir nicht. Es strahlte eine gewisse Arroganz ab.
»Ich will mich ja nicht in Ihre Arbeit einmischen, Mr. Sinclair, aber ich denke, dass Sie hier an der falschen Stelle suchen. Was sollte ich mit vier verschwundenen Frauen zu tun haben? Gar nichts. Es verschwinden immer wieder Menschen, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen, aber deshalb brauchen Sie nicht zu mir zu kommen.«
»Eine der jungen Frauen hieß Laura«, sagte Orbino.
»Und?«
»Kennen Sie Laura?«
Claudia Amalfi verdrehte die Augen. »Sie glauben gar nicht, wie viele Lauras mir in meinem Leben schon begegnet sind.«
»Ich meine aber eine bestimmte. Laura Facetti.«
»Der Name sagt mir nichts.« Sie schnippte mit den Fingern.
»Trotzdem haben Sie mich neugierig gemacht. Warum sind Sie gerade zu mir gekommen, Commissario? Ein Zufall kann es nicht sein.«
»Stimmt, es ist auch kein Zufall.«
»Und weshalb stehen Sie dann hier?«
»Weil jemand gesehen
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