1484 - Der Teufel von Venedig
sehr breites Maul mit geschlossenen Lippen, insgesamt eine vogelähnliche Fratze mit einer völlig glatten Haut und bösen, geschlitzten Augen, in denen es rot leuchtete.
Das musste er sein!
Ich kannte den Teufel in einer anderen Gestalt und einem ebenfalls anderen Aussehen, aber bei ihm konnte man sich nie sicher sein. Er war ein Meister der Verkleidungen und Täuschungen.
Und nun stand mein Kreuz dagegen und seine immense Kraft, die auch die Fratze vernichtete. Sie wurde weggeätzt, und ich nahm einen widerlichen Geruch wahr.
Ob es sich dabei um ein Schwefelgas handelte, war mir nicht klar.
Letztendlich war es auch nicht wichtig. Mich interessierte nur, dass ich den Teufel vertrieben hatte.
Der Gestank verwehte. Ich sah keinen Rauch, aber die Luft klärte sich, und als ich einen Blick auf das Bild warf, da gab es nur noch den knochigen Körper zu sehen. Der Kopf war verschwunden, und deshalb sah das Bild noch widerlicher aus.
Was eine Claudia Amalfi so lange hatte aufgebaut, war von mir in wenigen Sekunden zerstört worden. Aber sie hatte bereits Unheil genug angerichtet, und dafür würde sie büßen.
Sie befand sich wieder hinter mir. Ich drehte mich um und war von dem Anblick überrascht.
Claudia Amalfi kniete auf dem Boden. Ihr Haar war an der linken Seite zerzaust. Die Arme waren etwas nach vorn gestreckt und angewinkelt. Ihre Hände lagen flach zusammen, als wollte sie beten.
Nein, sie betete nicht.
Sie hatte etwas anderes vor. Das sah ich erst, als ich einen kleinen Schritt auf sie zugegangen war. Aus den zusammengedrückten Händen schob sich etwas nach oben. Es war lang, es war spitz, es glitzerte hell, und ich sah auch, um was es sich dabei handelte.
Eine Nadel, die man nahm, um Haare oder einen Hut festzustecken.
Das Gesicht hatte sie mir zugewandt. Sie sprach, und ihre Worte troffen vor Hass.
»Du hast alles zerstört – alles! Meine Zukunft ist dahin! Verfluchter Hundesohn!«
Nach diesen Worten schnellte sie ihren Körper auf mich zu. Die spitze Nadel sollte mich zwischen den Beinen treffen, aber ich war schneller und sprang in die Höhe.
Die Nadel verfehlte mich.
Schreiend fiel die Frau auf den Bauch. Ich drehte mich zu Seite, weil ich davon ausging, dass sie in die Höhe springen und einen nächsten Angriff versuchen wollte.
Sie tat es nicht.
Claudia Amalfi lag noch immer in der gleichen Haltung auf dem Boden. Doch sie bewegte sich nicht mehr. Ihr Körper war in eine unnatürliche Starre gefallen.
Mir kam ein schlimmer Gedanke, doch ich musste erst noch den Beweis haben. Dazu drehte ich sie auf den Rücken. Jetzt sah ich es.
Die Nadel steckte tief in ihrer Kehle. Aus eigener Kraft würde sie das Instrument nicht mehr entfernen können, denn sie war tot und vielleicht schon auf dem Weg zum Teufel, den sie doch über alle Maßen geliebt hatte…
***
Erst mal gab es für mich nichts mehr zu tun, und so machte ich mich auf den Rückweg. Ich war kaum an der Treppe angelangt, als ich jemanden von oben her kommen hörte. Suko blieb stehen, als er mich sah.
»Und?« fragte er nur.
»Es ist vorbei. Und bei dir?«
Er verzog die Lippen. »Bei mir auch.«
»Gut.«
»Okay, dann ist ja alles in Ordnung.«
»Ja, aber nur in diesem Fall…«
ENDE
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