1484 - Der Teufel von Venedig
denken, dass wir hier in Venedig vor den Mächtigen kneifen. Nein, das auf keinen Fall.«
»Okay, dann sollten wir mal gemeinsam überlegen, wie wir am besten vorgehen.«
Der Commissario schaute auf seine Uhr. »Bitte nicht vor Mitternacht. Danach bin ich zu jeder Schandtat bereit…«
***
Claudia Amalfis Gesicht verzerrte sich vor Hass, als sie die Tür hinter dem Commissario schloss. Sie hoffte, dass sie ihn in die richtige Spur gebracht hatte und dass er seine beiden englischen Kollegen zum Teufel schickte. Jedenfalls würde sie dabei mithelfen und sich vor allen Dingen über diese Männer beschweren.
Sie und ihr Bruder besaßen den entsprechenden Einfluss. Sie waren reich, und da konnte kein mieser Commissario kommen und dumme Fragen stellen.
Nicht bei ihnen. Zudem hatten sie noch so viel vor und mussten verdammt achtgeben.
Sie ging mit schnellen Schritten zurück in den Saal. Dabei schaute sie gegen die Spiegelwand, und sie stellte sich die Frage, wie der Engländer etwas bemerkt haben konnte. Die Wand sah geschlossen aus. Dass sich dahinter tatsächlich etwas befand, war für einen nicht eingeweihten Menschen nicht sichtbar.
Aber der Engländer hatte trotzdem etwas bemerkt. Wieso hatte das passieren können?
Die Frau fragte sich, ob sie sich Sorgen machen musste. Weniger um sich selbst als um ihren Bruder, der angeblich in Asien weilte.
Da hatten sie gemeinsam eine perfekte Tarnung aufgebaut.
Sie dachte an die Mädchen. An ihre Elevinnen. Perfekte Körper, wie Carlo sie liebte. Er liebte alles Menschliche, auch wenn er der Hölle die Hand gereicht hatte.
Im Hintergrund wartete Arno, ihr Vertrauter. Der Typ mit den arroganten Gesichtszügen wusste sehr gut, wie er sich zu verhalten hatte. Er würde erst etwas sagen, wenn man ihn dazu aufforderte.
Claudia drehte sich zu ihm um. »Ich will jetzt deine Meinung hören, Arno. Was sagst du?«
»Sie meinen die beiden Fremden, Signora?«
»Sicher.«
Arno legte seine Stirn in Falten und hob die Augenbrauen an. »Ich will hier kein Öl ins Feuer gießen, aber ich halte die beiden Fremden für sehr gefährlich.«
»Wie kommst du darauf?«
»Man spürt es.«
Claudia lächelte. »Ja, das kann ich bestätigen. Wir müssten also etwas gegen diese Leute unternehmen. Glaubst du, dass sie aufgeben werden?«
»Nein.«
Die Frau zögerte. Sie schaute zu Boden, denn sie musste zunächst ihre Gedanken in die richtige Reihe bringen. Auf keinen Fall durften sie etwas finden. Und deshalb war eine Beschwerde bei den Vorgesetzten so wichtig. Nur durch sie konnten die Ermittlungen gestoppt werden. Aber es würde bis zum nächsten Tag dauern. Sie wollte keinen zu großen Wirbel machen und schon jetzt den Polizeichef anrufen.
Die nächsten Stunden konnte sie noch durchhalten. Zusammen mit Arno, auf den hundertprozentig Verlass war.
Claudia sprach ihn an. »Ich denke auch, dass sie nicht aufgeben werden. Sie wissen leider über bestimmte Dinge bereits Bescheid. Sie haben eine dieser Frauen gesehen, und das ist nicht gut. Sie haben vom Eingang an der Rückseite erfahren. Wir sollten also unsere Augen offen halten.«
»Soll ich mich draußen umsehen?«
»Das wäre nicht schlecht, Arno. Sollte dir etwas auffallen, gib mir Bescheid.«
»Das werde ich, Signora. Wir bleiben über unser Handy miteinander in Verbindung.«
»Danke, Arno. Wenn ich dich nicht hätte. Ich denke, dass wir hier noch ein gutes Leben zusammen genießen werden. Carlo hat uns völlig neue Wege eröffnet, das ist wirklich etwas Wunderbares. Ich kann es kaum fassen. Aber ich bin so wahnsinnig froh darüber.«
»Ich schaue mich dann um, Signora.«
»Ja, tu das.«
Claudia Amalfi wartete, bis Arno den Probesaal verlassen hatte.
Sie blieb länger vor der Spiegelwand stehen und ordnete ihr Haar.
Ihr Gesicht nahm plötzlich einen weichen Ausdruck an, als sie auf eine bestimmte Stelle der Wand zuschritt. Dieser Engländer hatte sich nicht getäuscht. Die Wand sah zwar durchgehend aus, aber es gab bestimmte Stellen, wo dies nicht der Fall war. Genau die brauchte sie nicht zu suchen, sondern drückte mit beiden Händen dagegen. Der leichte Druck reichte aus, um ein Summen erklingen zu lassen. Wenig später bewegten sich zwei Teile der Spiegelwand nach innen. Sie drehten sich dabei nach hinten und gaben den Blick frei in ein dunkles Gewölbe, in dem sich die Schatten der Unterwelt zusammengeballt zu haben schienen.
Es war eine kalte und zugleich muffige Luft, die der Frau entgegenschlug. Auf der Schwelle
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