1489 - Die Männerfalle
drehen zu können, sonst wären beide zu Boden gefallen. So aber landeten sie auf einem Sessel, der sie auffing und durch den Druck noch ein Stück nach hinten rutschte.
Evelyn löste sich von dem stöhnenden Mann. Erst jetzt war sie in der Lage, sich das Ausmaß seiner Verletzungen aus der Nähe anzuschauen. Es war leider eine Tatsache. Sein Hals war zu einer einzigen Wunde geworden. Das Blut hatte freie Bahn gehabt, und wie Farbe war es nach unten gelaufen.
Ihr Bruder musste viel Blut verloren haben. Woher die Wunden stammten, konnte sie nicht einmal ahnen. Vielleicht hatte man ihm sogar die Kehle durchschneiden wollen und war zum Glück nicht über den Ansatz hinausgekommen.
Doch das alles war jetzt nicht wichtig. Eric brauchte Hilfe, die sie ihm nicht geben konnte.
Dafür war ein Arzt zuständig.
»Okay!« flüsterte sie ihm ins Gesicht. »Okay, du bleibst jetzt ruhig liegen. Ich sorge dafür, dass alles wieder in Ordnung kommt, Eric. Mach dir keine Gedanken, das schaffen wir.«
Sie eilte zum Telefon, und wenig später war alles erledigt. Jemand würde kommen und sich um Eric kümmern. Ein Arzt wusste besser, was zu tun war, und vielleicht musste auch die Polizei alarmiert werden, denn das sah ihr nach einem missglückten Überfall aus.
Ja, sie rief noch mal an.
In kurzen Worten erklärte sie, was passiert war. Ein Mann mit sonorer Stimme versprach ihr, einen Wagen mit zwei Kollegen vorbeizuschicken.
»Danke.«
Evelyn Gubo zitterte, und das blieb auch bestehen. Ein derartiges Erlebnis war nicht leicht abzuschütteln. Sie ging wieder zu ihrem Bruder, der leise stöhnend mehr im Sessel lag, als dass er saß. Er hielt seine Augen zwar noch offen, aber ob er tatsächlich wahrnahm, was um ihn herum passierte, wusste sie nicht.
Sie kniete sich neben ihn. Eric schaute sie nicht an. Evelyn roch das Blut, und jetzt sah sie, dass auch der Anzug befleckt war und die Hände ebenfalls.
»Mein Gott«, flüsterte sie, »was ist nur mit dir geschehen, Eric? Was hast du erlebt?«
Er konnte nicht sprechen, obwohl er es versuchte, aber nur ein Röcheln drang aus dem halb geöffneten Mund.
Seine Schwester sprach davon, dass bald Hilfe kommen würde, und sie hatte sich nicht geirrt. Es dauerte keine zwei Minuten mehr, bis sie ein geisterhaftes Licht sah, das die Drehleuchte des Krankenwagens abgab, der vor ihrem Haus hielt.
Was dann folgte, war Routine. Ein Notarzt und zwei Helfer betraten die Wohnung. Der Arzt schaute sich die Wunden an, sprach von einem Blutverlust und gab dem Verletzten eine Aufbauspritze, bevor er ihn an einen Tropf anschloss.
»Wie schlimm steht es um meinen Bruder, Doc?«
»Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht so genau sagen. Auf die leichte Schulter darf man die Verletzungen nicht nehmen. Jemand scheint sich an seinem Hals auf eine besondere Weise zu schaffen gemacht zu haben.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber es könnten sich bei Ihrem Bruder um Bisswunden handeln.«
»Gott!«
Der Arzt hob die Schultern. »Wie gesagt, ich bin mir nicht sicher. Es könnte sein.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Wir müssen abwarten. Erst mal muss er ins Krankenhaus, dann sehen wir weiter.«
»Wohin bringen Sie ihn denn?«
Sie bekam die Anschrift.
»Ja, das Haus kenne ich.«
Die Sanitäter hatten den Verletzten bereits auf die Trage gelegt und rollten sie aus dem Raum. Evelyn blieb an der Seite ihres Bruders, der sie gar nicht wahrnahm.
Außerdem hielt jetzt ein Streifenwagen vor dem Haus, und zwei Polizisten verließen ihn. Sie sahen die Frau in der offenen Haustür stehen und gingen auf sie zu.
»Sind Sie Mrs. Gubo, die uns anrief?«
»Ja, das bin ich. Es geht um meinen Bruder.«
»Moment.«
Beide Polizisten schauten sich den Verletzten an, bevor er in den Wagen geschoben wurde. Sie taten es im Licht ihrer Lampen, sprachen kurz miteinander und gaben dem Arzt freie Bahn. Dann gingen sie wieder zu Evelyn zurück. Sie wartete in der offenen Tür und hielt die Arme vor der Brust verschränkt wie jemand, der friert.
»Können wir reden?«
»Ja, kommen Sie bitte ins Haus.«
Evelyn Gubo führte die beiden Beamten in den Wohnraum und bot ihnen Plätze an. »Möchten Sie etwas zu trinken?«
»Nein, danke.«
Die Beamten stellten sich namentlich vor. Einer hieß Kovac. Er übernahm die Gesprächsführung und machte sich dabei Notizen.
»Sie haben uns erklärt, dass es Ihr Bruder ist. Wie er aussah, muss er überfallen worden sein, aber es war kein gewöhnlicher Überfall,
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