1489 - Die Männerfalle
sich gelegt hatte und nervös auf ihrer Unterlippe kaute. Mit den Fingern zupfte sie permanent an ihrem Pullover herum und zog dort immer wieder kleine Knoten ab.
Ich wollte schon weitergehen, als sich die gläserne Schwingtür öffnete und eine Krankenschwester erschien, vor der ich zurückwich.
Ich habe schon oft korpulente Frauen gesehen, diese aber gehörte zu denen, die die meisten anderen in den Schatten stellten.
Der Kopf war relativ klein. Kurze schwarze Haare wuchsen darauf, aber sie hatte ein nettes und liebes Gesicht, und sie sprach die wartende Frau mit einer weichen Stimme an.
»Sie können jetzt zu Ihrem Bruder, Mrs. Gubo. Die Zimmernummer kennen Sie ja.«
»Danke.«
Dann war ich an der Reihe, angesprochen zu werden. »Und wo möchten Sie hin, Mister?«
»Auch zu Eric Gubo.«
»Gut, dann kommen Sie ja gerade richtig.« Die Schwester nickte mir zu und lief eilig die nächste Treppe hoch.
Natürlich hatte die wartende Frau mich gehört. Sie sprach mich an.
»Sie möchten zu meinem Bruder Eric?«
»Ja, Madam.«
»Pardon, ich möchte nicht allzu neugierig erscheinen, aber darf ich fragen, wer Sie sind?«
»Das dürfen Sie. Mein Name ist John Sinclair. Ich bin Yard-Beamter.« Damit sie mir auch glaubte, zeigte ich ihr meinen Ausweis.
»Ah ja, verstehe.«
»Dann können wir gemeinsam hingehen.«
»Nein, warten Sie.« Die Frau berührte mich leicht an der linken Hand. »Ich heiße übrigen Evelyn Gubo. Sind Sie denn über die Vorgänge informiert, Sir?«
»Nur unvollständig.«
»Darf ich Ihnen dann erklären, was in der letzten Nacht passiert ist?«
»Gern.«
Sie nahm wieder Platz, weil es wohl länger dauerte. Mit recht leiser Stimme fing sie an zu sprechen. So erfuhr ich in allen Einzelheiten, wie ihr Bruder sich verhalten hatte, als er nach Hause gekommen war.
»So etwas ist nie zuvor passiert, Mr. Sinclair. Er ging ab und zu mal in die Kneipe, um sich seine Sorgen wegzusaufen, wie er immer behauptete. Aber dass er so schwer verletzt nach Hause kam, das ist einfach nicht zu fassen. Ich stehe noch immer völlig neben mir und bin froh, dass er noch lebt.«
»Das glaube ich Ihnen, Mrs. Gubo. Aber ist nicht auch der Begriff Vampir gefallen?«
»Ja«, flüsterte sie, »das ist tatsächlich der Fall. Ein Polizist hat ihn erwähnt, als er sich die Wunden genauer anschaute. Sind Sie deswegen gekommen?«
»Das könnte sein.«
»Aber Sie glauben nicht an Vampire?« fragte sie mit einer fast schon ängstlich klingenden Stimme und schaute mich dabei aus ihren starren Augen beschwörend an.
»Wie kommen Sie darauf, Mrs. Gubo?«
Sie musst sich räuspern. »Weil – weil – ich bis zur vergangenen Nacht auch nicht daran geglaubt habe.«
»Und jetzt tun Sie es?«
»Ja!« hauchte sie.
»Warum? Weil Sie die Halswunden Ihres Bruders gesehen haben?«
»Auch…«
Die Antwort war nicht vollständig. Ich sah ihr an, dass sie noch etwas auf dem Herzen hatte.
»Was ist denn noch?« fragte ich.
Evelyn Gubo schauderte zusammen. »Ich habe Besuch bekommen«, murmelte sie und schaute dabei ins Leere. »Das passierte, als die Polizisten schon wieder weg waren. Die Bemerkung über Vampire habe ich ja mitbekommen, Mr. Sinclair. Ich will ehrlich sein. Ich habe nicht so recht daran geglaubt. Doch dann bin ich eines Besseren belehrt worden.« Sie nickte. »Ja, und ich kann es noch jetzt nicht glauben, weil es einfach nicht sein kann.«
»Bitte, was ist geschehen?«
»Da war eine Frau in meinem kleinen Garten. Eine unheimliche Gestalt. Ich habe sie zuerst nur wie einen Schatten wahrgenommen, aber dieser Schatten entpuppte sich als Mensch – so dachte ich. Sie trat bis dicht an die Scheibe heran, sodass ich ihr Gesicht gut sehen konnte. Ein graues Gesicht, aber mit roten Augen.«
Mrs. Gubo schwieg.
»Die Augen waren tatsächlich rot?«
»Ja, Mr. Sinclair, als wäre Blut in den Pupillen verlaufen. Es ist grauenhaft gewesen, und ich habe mich nicht geirrt. Aber die Augen waren noch nicht das Schlimmste in ihrem Gesicht.«
»Sondern?«
»Der Mund.« Sie deutete mit zwei Fingerspitzen auf ihre Lippen.
»Er war so schlimm verzerrt. Ein widerlich starres Grinsen lag darauf, und aus dem Oberkiefer ragten zwei Spitzen hervor. Zähne, Mr. Sinclair«, flüsterte sie. »Zähne, wie man sie nur von Vampiren kennt. Ja, so war es, so und nicht anders. Das habe ich gesehen.«
Sie fasste nach meinem Arm.
»Die Gestalt ist recht lange hinter der Scheibe geblieben. Sie kratzte sogar mit ihren Fingernägeln darüber
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