1490 - Das Rätsel der Leichenvögel
stärker. Sie will, dass ich meinem Job nachgehe.«
»Das tust du doch.«
»Eben.« Bill rieb seine Hände. »Und jetzt müssen wir nur herausfinden, wo der Friedhof genau liegt. Ich habe noch mal mit Mark Toby darüber gesprochen. Es fiel der Name Child’s Hill.«
»Das ist schon weit draußen.«
»Egal, wir haben Zeit.«
»Aber zuvor rufe ich die Kollegen an. Ich will mehr über den damaligen kollektiven Selbstmord wissen.«
»Tu das.«
Ich telefonierte von Bills Apparat aus. Die Kollegen, die am Sonntag Dienst taten, zuckten zusammen, als sie meine Stimme hörten.
»Wird es schwierig?«
»Nein.«
»Gut, dann los.«
Ich leierte meinen Spruch herunter, und als ich den Fall ansprach, da wusste man sofort Bescheid. Der kollektive Selbstmord war nicht in Vergessenheit geraten.
»Möchten Sie eine Mail haben oder einen Rückruf?«
»Ein Rückruf wäre mir lieber.« Ich gab Bills Telefonnummer an und wir warteten gemeinsam.
»Wie hart wird es?« fragte mein Freund.
»Sorry, das kann ich dir nicht sagen. Aber geh mal davon aus, dass wir erst am Anfang des Falles stehen.«
»Vögel!« sprach Bill vor sich hin und lachte leise. »Damit haben wir es schon öfter zu tun gehabt. Erinnerst du dich noch an den Fall, als wir wie in dem Film von einer Masse Vögel angegriffen wurden?«
»Und ob.« Ich streckte meine Beine aus. »Und jetzt haben wir es mit Leichenvögeln zu tun. Gewissermaßen mit Tieren, die die Vertretung der Toten übernommen haben.« Ich musste einfach den Kopf schütteln. »Man lernt eben nie aus, und die Überraschungen reißen nicht ab.«
Das Telefon meldete sich, und ich erhielt meine Auskunft. Bill hörte über Lautsprecher mit. So erfuhr auch er, dass diese Sekte mitten in einem Waldstück eine Lichtung gekauft hatte, die dann zu einem Friedhof umfunktioniert worden war.
»Und das ging so einfach durch?«
»Man braucht nur die richtigen Beziehungen«, erklärte der Kollege.
»Können Sie sagen, wie groß dieser Wald ungefähr ist?«
»Nein, aber riesig bestimmt nicht.«
»Okay, dann bedanke ich mich.« Ich legte auf und fragte Bill:
»Welchen Wagen nehmen wir?«
»Deinen, John.« Er ging zur Tür und lächelte. »Mein Porsche ist nur für Straßen geeignet. Vielleicht müssen wir ja durchs Gelände fahren, und da sähe es dann schlecht aus.«
»Wolltet ihr euch nicht so einen Off Roader kaufen?«
Bill winkte ab. »Ich hätte schon längst einen, aber Sheila sperrt sich dagegen. Sie mag die Fahrzeuge nicht, die in der City oft die Sicht versperren, und irgendwie muss man Kompromisse machen. Erst recht in der Ehe.«
Wir nahmen also den Rover, und ich hoffte, dass wir nicht durchs Gelände zu fahren brauchten und der Wald mit seinem Friedhof leicht zu erreichen war…
***
Elliot und Simone hatten sich für den dunklen Van entschieden.
Während der Mann noch im Haus war, um sich etwas überzuziehen, wartete die Frau neben dem Wagen, dessen Karosserie schmutzig war und lehmbraun schimmerte.
Die hinteren Sitze waren nach vorn geklappt. So gab es mehr Stauraum im Fahrzeug, denn Elliot transportierte hin und wieder auch kleinere Warenmengen.
Es war kein kalter Tag. Trotzdem fröstelte Simone, als sie auf ihren Freund wartete.
Hin und wieder suchte sie den Himmel ab und hielt Ausschau nach einem grünen Vogel, den sie allerdings nicht zu Gesicht bekam. Wenn sie Vögel sah, dann waren es Spatzen oder Amseln, die den Winter über im Land geblieben waren. Große Saatkrähen sah sie nicht.
Es herrschte eine sonntägliche Stille in der Umgebung der Gärtnerei. Von den beiden Straßen waren hin und wieder Geräusche fahrender Autos zu hören, wenn der Wind das Brummen über die Felder trug.
Eine davon mussten sie nehmen, um den Wald zu erreichen. Simone kannte ihn und kannte ihn trotzdem nicht, denn sie selbst hatte noch keinen Fuß in ihn hineingesetzt. Er war ihr nur vom Hörensagen bekannt.
War es richtig, was sie taten?
Das konnte niemand genau sagen. Sie ging einfach davon aus. Sie war ein Mensch, der spontan reagierte und die Dinge sofort ins Lot bringen wollte. Das war auch hier richtig, davon war sie überzeugt.
Und sie wollte nicht erst bis zur Dunkelheit warten, denn was die Nacht brachte, konnte niemand sagen.
War das Erscheinen der veränderten Saatkrähe mit einem Angriff, einem normalen Besuch oder mit einer Warnung zu vergleichen?
Sie wusste es nicht genau zu sagen. Dabei konnten alle drei Dinge zutreffen.
Wichtig war, dass sie beide nicht falsch reagierten, wenn
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