1490 - Das Rätsel der Leichenvögel
herab, und man hätte meinen können, dass es sich dabei um einen Stein handelte, was es jedoch nicht war, denn aus der Höhe stieß die grüne Saatkrähe nach unten und landete mitten auf der Motorhaube.
Simone und Elliot schraken gleichzeitig zusammen. Eine gewisse Sprachlosigkeit überfiel sie, sodass sie keinen Laut hervorbrachten.
Ihr Augenmerk galt allein dem Vogel, der auf der Motorhaube wie ein Fremdkörper wirkte.
Sein Kopf war zur Windschutzscheibe gerichtet. Er starrte in den Wagen, und die junge Frau brach das Schweigen.
»Mein Gott, das sind ja menschliche Augen!«
»Ja, eine perfekte Begrüßung!« bestätigte Elliot.
»Und was machen wir jetzt?«
Elliot suchte eine Weile nach einer Antwort. Es war eigentlich ganz einfach. Sie brauchten nur den Wagen zu verlassen und hätten weglaufen können. Er war sicher, dass der Vogel ihnen nichts tun würde.
Oder aber den Wagen wenden und zurückfahren.
»Sag was, Elliot.«
»Es ist eine Warnung. Oder kann eine sein. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls ist der Vogel da. Den haben wir uns nicht eingebildet.«
»Du willst doch Bescheid wissen, Elliot.«
»Sicher.«
»Dann müssen wir in den Wald und damit zu diesem Friedhof. Etwas anderes kannst du dir abschminken.«
»Ich fürchte mich.«
Simone war verwundert. »Willst du denn zurück und alles hinwerfen? Das kann ich nicht glauben.«
»Nein, nein, so ist das nicht.«
»Aber…?«
»Mist!« flüsterte er. »Jetzt, wo es darauf ankommt, bin ich mir plötzlich unsicher.«
»Das ist ganz natürlich. Auch mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, aber ich sage mir, dass der Vogel mit den Augen deines verstorbenen Vaters etwas von dir will. Sonst wäre er nicht zu dir gekommen, um sich dir zu zeigen. Der hat eine Botschaft.«
»Und welche?«
»Das finden wir heraus.«
Elliot Wells musste lächeln, als er die Worte seiner Freundin hörte.
Er freute sich über deren Optimismus, den er leider nicht aufbringen konnte;. Aber er war verdammt froh, sie an seiner Seite zu haben.
Wenn er allein gewesen wäre, hätte er womöglich den Rückweg angetreten. Die Blöße wollte er sich aber jetzt nicht geben.
»Entscheide dich, Elliot.«
»Ja«, flüsterte er, »es ist alles okay. Ich habe mich entschieden. Wir machen weiter.«
»Gut.«
Gleichzeitig stießen sie die Türen auf und verließen den Van.
Ihre Füße verschwanden im hohen Gras. Es hatte eine winterliche Farbe angenommen und sah aus wie ein grünbrauner Teppich.
Der Wind hatte das Laub von den Ästen und Zweigen gerissen, sodass der Wald nicht mehr so dunkel wie sonst wirkte.
Der Vogel saß auch weiterhin auf der Haube. Er hatte sich nur gedreht, um einen von ihnen immer unter Kontrolle zu behalten, und das war in diesem Fall Elliot.
Sie schwiegen. Vor dem Van trafen sie sich und warteten, dass der Vogel eine Reaktion zeigte.
Er ließ sich Zeit. Er glotzte sie aus den menschlichen Augen an und breitete plötzlich seine Schwingen aus. Vor ihren Augen stieg er in die Luft und flog dem Waldrand entgegen. Auf einem kahlen Ast fand er seinen Platz, um von dort die beiden Menschen zu beobachten.
»Er wartet, Simone.«
»Das sehe ich. Du wolltest dir doch den Friedhof ansehen. Dann sollten wir keine Sekunde länger zögern. Lass uns losgehen.«
Elliot bewunderte den Mut seiner Freundin. Aber so war es immer. Sie machte einen Vorschlag, und er zog mit. Trotzdem musste er eine Frage stellen.
»Hast du dir alles genau überlegt?«
»Sicher.« Simone gab sich verwundert. »Hast du etwas anderes gedacht, oder warum fragst du?«
»Ja, ich spreche davon, weil – verdammt, es kann auch gefährlich für uns werden. Das ist doch alles nicht normal. Ein Vogel mit menschlichen Augen!« Er lachte. »Wenn man das einem sagt, der hält dich für verrückt. Und das ist es auch. Ich kann mir das alles nicht erklären.«
»Das brauchst du auch nicht. Wir werden die Erklärung bekommen, wenn wir in den Wald gehen. Und ich weiß auch, dass uns der grüne Vogel den Weg zeigen wird.«
»Gut.«
Simone umarmte ihren Freund. »Ich glaube nicht, dass man dir etwas will«, flüsterte sie dicht an seinem Ohr. »Man will dich nicht umbringen, Elliot. Man will dir einfach nur etwas zeigen.«
»Ja, das kann sein. Ich begreife es nur nicht. Das geht über meinen Verstand.«
»Über meinen auch. Nur müssen wir uns diesmal an die Gesetze der anderen Seite halten. Mehr kann ich dir auch nicht sagen. Es kann sogar positiv sein, wenn du all das tust, was du dir vorgenommen
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