1491 - Im Schloss der Hexen
gebunden.
»Wir haben schon so gut wie geschlossen.«
»Es gibt keinen Glühwein mehr?«
»Ein Glas kann ich noch servieren.«
»Danke.«
Glenda zahlte auch sofort, fasste das Glas mit beiden Händen an und spürte die Wärme des Getränks. Sie trank mit kleinen Schlucken und stellte fest, dass Nüsse auf der Oberfläche schwammen und sich in der Flüssigkeit zusammen mit Rosinen verteilten.
»Er schmeckt gut«, lobte Glenda.
Die Verkäuferin lachte. »Es ist ein besonderes Rezept, das ich aus Deutschland mitgebracht habe. Ich muss ehrlich sagen, dass es hier prima ankommt. Die Geschäfte laufen gut.«
»Das freut mich für Sie. Aber auch heute, wo es doch hier in der Nähe gebrannt hat? Das war bestimmt nicht toll.«
»Sie sagen es.« Die Frau hustete gegen ihren Handrücken. »Zu dieser Zeit hatten wir weniger zu tun.«
»Und wer hat dieses Haus angesteckt?« fragte Glenda. »Weiß man das bereits?«
»Nein, man weiß nichts. Der Brand ist wie aus dem Nichts entstanden. Da hat niemand Feuer gelegt. Ich kann Ihnen sagen, das ist schon unheimlich, wenn man genauer darüber nachdenkt.«
»Unheimlich, sagen Sie?«
»Ja, das muss man so sehen. Unheimlich, gespenstisch, denn in dieser Hütte lebte ja eine Hexe. Deshalb wurde es auch Hexenhaus genannt.«
»So eine wie aus dem Märchen? Mit Buckel und…«
Die Verkäuferin wehrte ab. »Nein, Madam, so kann man das nicht sehen. Sie hatte keinen Buckel. Wir haben sie hin und wieder gesehen und nannten sie Schneewittchens Stiefmutter.«
»Warum das?«
»Weil sie so schwarzes Haar hat. Sie ist eine große Frau. Wer sie ansieht, kann nur staunen. Aber sie hat sich selten gezeigt. Sie verschwand immer recht schnell in ihrem Hexenhaus, obwohl wir alle den Eindruck hatten, dass es trotzdem nicht besetzt war.«
Glenda hatte einen Schluck getrunken und setzte nun die Tasse ab.
»Warum sagen Sie das?«
»Weil es so war.«
»Wo hätte sie den hingehen können?«
»Keine Ahnung, interessiert mich auch nicht.«
»Es kamen Kinder zu ihr?«
Die Verkäuferin wollte eine Antwort geben. Sie musste das Gelächter der Männer abwarten, erst dann konnte sie sprechen. »Es ist wohl wahr. Wie es dann genau ablief, weiß ich nicht. Ich habe hier wirklich genug zu tun gehabt. Die Hexe muss ihnen wohl die Tür geöffnet haben, wenn sie zu ihr kamen.«
»Ja, und dann kam das Feuer.«
»Genau.«
»Wissen Sie, wer es gelegt haben könnte?«
Der Blick der Frau wurde misstrauisch. »Nein, das weiß ich nicht. Das ist mir völlig unbekannt. Aber wieso fragen Sie? Gehören Sie zur Polizei? Oder sind Sie von der Zeitung?«
»Nein, nein, weder noch. Mich hat nur mein Arbeitgeber, die Versicherung, geschickt, damit ich ein wenig vor Ort recherchiere. Man will herausfinden, ob es Brandstiftung war oder nicht.«
Die Frau hob die Schultern. »Da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen, Madam.«
»Trotzdem möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Und das Getränk hat sehr gut geschmeckt.«
»Das freut mich.«
Beide wünschten sich noch frohe Feiertage. Dann verließ Glenda den Stand, und sie fragte sich, ob es überhaupt klug gewesen war, hier über den Markt zu schlendern.
Sie entschied sich, noch etwas zu bleiben, und sie wollte sich auch die Brandstelle anschauen.
Es waren nur ein paar Meter. In der Zwischenzeit ging ihr viel durch den Kopf. Das Geheimnis der Hexe hatte sie auch durch die Hilfe der Verkäuferin nicht lösen können, nun drehten sich ihre Gedanken ausschließlich um den Brand.
Hatte die Hexe das Feuer selbst gelegt oder war der Brand aus einer Serie unglücklicher Zufälle entstanden? Es war beides möglich, und Glenda war gespannt, ob sie noch etwas entdeckte.
Schließlich hatten nicht nur die Äußerungen von Chiefinspektor Tanner sie hergeführt. Es hatte einen grauenvollen Mord gegeben, den sich niemand erklären konnte. Für einen normalen Kriminalfall gab es kein Motiv, aber Glenda ging davon aus, dass man es hier nicht mit einem normalen Fall zu tun hatte.
Das sagte ihr ein Gefühl. Es war schon ungewöhnlich gewesen. Sie glaubte daran, an diesen Ort hergetrieben worden zu sein. So war sie auch ihrem Gefühl gefolgt, und Glenda dachte daran, dass es mit ihren besonderen Kräften zusammenhängen konnte, die dafür gesorgt hatten. Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken, sie war auch keine Hellseherin, aber sie wusste, dass sie hier richtig war, und davon würde sie sich auch nicht abbringen lassen.
Das Viertel schlief nicht. Wer vom Markt genug
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