1491 - Im Schloss der Hexen
hatte, der ging in eine der umliegenden Kneipen und Pubs. Davon gab es jede Menge.
Nach Aufhebung der Sperrstunde konnte jeder auf seine Weise das Fest feiern. Es gab viel Kitsch und Tinnef zu sehen. In den schmalen Gassen blinkte und funkelte es, wenn sich Menschen mit Plastikrentiergeweihen oder Weihnachtsmannmützen durch die längst nicht mehr so vollen Gänge zwischen den Buden bewegten.
Die Luft war klar, sie war kühl, und nur weiter westlich lag der dicke Nebel wie eine Suppe über dem Flughafen Heathrow, von dem keine Maschine starten konnte.
Dort, wo die Bude abgebrannt war, gab es eine Lücke. Sie hatte abseits gestanden. Glenda glaubte, noch den Brandgeruch in der Nase zu spüren, als sie einatmete.
Abgesperrt war der Ort auch nicht mehr. Die Spezialisten hatten ihre Pflicht getan.
Glenda schaute nach vorn auf die noch vorhandenen Reste. In der Regel war es Asche, die sich dort verteilte. Aus ihr hervor ragte hin und wieder ein nicht völlig verbranntes Holzstück, aber das war auch alles. Kein Metall, kein Knochen, nichts, was auf einen verbrannten Menschen hingedeutet hätte.
Und doch glaubte Glenda Perkins, hier nicht falsch zu sein. Es gab keinen exakten Hinweis, sie hatte einfach nur das Gefühl, dass es so war, aber etwas erkennen konnte sie auch nicht. Da gab es keinerlei Spuren in der Asche, die sie weitergebracht hätten.
Glenda hatte sich eine Lampe in die Tasche ihres Mantels gesteckt.
Die zog sie jetzt hervor, um sich den Ort noch mal im helleren Licht anzusehen. Auch das brachte nichts. Der Kegel huschte über die Asche hinweg, das war auch alles.
Sie schaltete das Licht wieder aus und blickte sich um. Es interessierte sich niemand für diesen Ort. Sie stand mutterseelenallein vor der Brandstelle. Auf dem Markt hinter ihr wurde es immer stiller, dafür ging der Trubel in den Gaststätten und in den Straßen weiter.
Sie blieb trotzdem stehen.
Irgendetwas hielt sie an diesem Ort fest. Sie lauschte in sich hinein, suchte nach etwas, aber sie konnte nicht sagen, was es war. So musste sie sich rein auf ihr Gefühl verlassen.
Es herrschte so gut wie kein Wind. Dafür war es kühler geworden, und die Kälte drückte gegen die Haut. Glenda war froh, einen gefütterten Mantel zu tragen. Die Hände hatte sie in beide Taschen vergraben.
Was tun?
Eigentlich wollte sie weg. Aber das konnte sie nicht. Etwas hinderte sie auch weiterhin daran, und sie spürte, wie die Wärme durch ihren Körper pulsierte, als hatte sich ihr Blut aufgeheizt.
Aber das war es nicht. Es musste etwas anderes sein, und Glenda war inzwischen bereit, es zu akzeptieren und sich nicht dagegen zu wehren. Sie nahm es hin, denn was sich da bemerkbar machte und praktisch die Initiative übernommen hatte, war das Serum.
Sie hatte es dem Hypnotiseur und Verbrecher Saladin zu verdanken. Er hatte es ihr eingespritzt, und seit dieser Zeit besaß sie besondere Fähigkeiten.
Glenda Perkins war in der Lage, sich an bestimmte Orte beamen zu können. Es war die perfekte Teleportation. Am Anfang hatte sie diese Begabung als Fluch empfunden und stark darunter gelitten.
Das war mit fortschreitender Zeit anders geworden. Jetzt sah sie es nicht mehr als Fluch an, sondern als eine Macht, die sie in bestimmten Situationen einsetzen konnte.
Auch jetzt?
Es deutete alles darauf hin. Das Blut zirkulierte. Es kochte fast in den Adern, und sie merkte, dass die innere Wärme ihr den Schweiß auf die Stirn trieb.
Wenn sie einatmete, dann tat sie es mit heftigen Atemstößen. Ihr Gesicht rötete sich dabei, und sie erlebte, dass sich die normale Welt allmählich veränderte. Die andere, die irgendwo verborgen lag, machte sich deutlicher bemerkbar.
Noch sah sie alles, was normal vor ihr lag, doch sie konnte die Botschaft nicht ignorieren. Jemand wollte etwas von ihr, und dagegen konnte sie sich nicht wehren.
Glenda musste warten, das stand fest. Sie selbst konnte zwar ihr Verschwinden beeinflussen, aber dazu musste sie auch ein Ziel haben, und das kannte sie im Moment noch nicht.
So wartete sie weiterhin auf etwas, das einfach geschehen musste.
Sie schaute nach vorn und zugleich nach unten. Es war noch immer nichts zu sehen. Es gab keine Bilder. Die Asche bewegte sich nicht, und die Umgebung blieb ebenfalls, wie sie war.
Dennoch wusste sie, dass sie nicht allein hier stand. Jemand war dabei, sie zu beeinflussen. Etwas kam auf sie zu, und sie wusste ziemlich sicher, dass es sich schon in ihrer Nähe befand, obwohl sie es noch nicht
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