1494 - Jagd auf Gesil
höchstens drei- oder viermal im Jahr jemand den Fluß passiert, dann habt ihr verdammtes Glück gehabt, daß wir euch fanden."
„Es will mir nicht so recht einleuchten", sagte Alaska Saedelaere, „daß hier kein reger Verkehr auf dem Rio Negro herrscht."
„Vielleicht war das früher anders", meinte die Rossa. „Hier leben nur wenige Menschen in kleinen und abgeschiedenen Siedlungen, wie es auch bei uns Rossisten der Fall ist. Wir zählen uns eigentlich zu den Traumhelfern, die einen eigenen Weg eingeschlagen haben, um die Freuden des Simusense-Netzes zu erleben. Wir aber suchen auch nach eigenen Lösungen für unser Dasein."
„Eure Sprache enthält Abweichungen von unserer", stellte Ernst Ellert fest, und Saedelaere nickte zustimmend. „Die erklären sich sicher aus den Jahrhunderten, die seit unserem letzten Besuch auf der Erde vergangen sind."
„Ich habe jetzt schon eine ganze Reihe von Begriffen gehört, mit denen wir nichts anfangen können." Der ehemalige Maskenträger war nachdenklich geworden. „Rossisten, Klirr-Klang-Gott, Traumhelfer, Simusense-Netz. Was hat das alles zu bedeuten?"
„Ihr habt keine Ahnung von der Vernetzung? Ihr wart noch nie auf Simusense?" Wieder lag das Staunen in den Augen des jungen Rosso. „Das mit dem Klirr-Klang-Gott ist so eine Redewendung, die von der Vernetzung kommt. Natürlich sollt ihr weitere Antworten erhalten, die das Simusense-Netz und die Rossisten betreffen, aber da fühle ich mich nicht kompetent genug."
„Ich auch nicht." Die Rossa lächelte. „Wir sind einfache Menschen."
„Wir werden in Kürze Tauapes erreichen", ergänzte der junge Mann. „Da wir nun in einen Seitenarm des Riuneru einbiegen, der so seine Tücken hat, und es stromaufwärts geht, muß ich mich ganz auf die Steuerung des Bootes konzentrieren. Metusal, der Dorfälteste, wird euch alles andere erklären. Er weiß mehr als wir. Faßt euch noch etwas in Geduld."
Sie unterhielten sich weiter, Korbin ausgenommen, der mit der Lenkung des Bootes voll beschäftigt war.
Nur Gesil blieb stumm. Und darüber machte sich Alaska Saedelaere seine eigenen Gedanken.
Die Siedlung der Rossisten machte einen beschaulichen Eindruck. Tauapes lag wenige hundert Meter vom Ufer des Riuneruseitenarms entfernt, auf dem sie die letzten Kilometer zurückgelegt hatten. Breite Pfade führten vom Fluß, an dem etwa zwei Dutzend der einfachen, motorbetriebenen Boote festgemacht waren, zum Dorf. Auch ein paar noch primitivere Wasserfahrzeuge hatten hier festgemacht, darunter ein einfaches Floß mit einer Hütte darauf.
Ein mehrere Meter hoher Gitterzaun mit Toren in regelmäßigen Abständen säumte Tauapes ein. Der Zweck dieses Zaunes ließ sich erahnen, denn direkt hinter ihm begann der Urwald mit seiner Vielfalt an gefährlichen Tieren.
Die Neuankömmlinge ließen alle Eindrücke auf sich wirken. Für die Beantwortung der vielen Fragen, die sich aufdrängten, stand bestimmt genügend Zeit zur Verfügung. Sie wollten nicht unhöflich sein und die Gastgeber bedrängen, bevor man sich gegenseitig kennengelernt und akzeptiert hatte.
Die Bewohner von Tauapes bestaunten die Fremden mit offenem Interesse. Doch sie neigten auch nicht dazu, die Sensation über Gebühr zu strapazieren. Es dominierte ganz offensichtlich eher eine Einstellung, die von einer starken inneren Ruhe der Merischen geprägt war. Die Rossisten nahmen die Dinge zunächst einmal so, wie sie waren. „Ihr seid die ersten wirklich fremden Besucher hier." Tovaa lächelte. „Zumindest seitdem ich hier lebe, und das sind vierundzwanzig Jahre."
Die Siedlung lag auf einer etwa sieben Meter durchmessenden Fläche mitten im tropischen Urwald. Bis auf eine Ausnahme bestand sie aus primitiv zusammengefügten Hütten. Naturhölzer stellten den größten Anteil des Baumaterials dar. Daneben waren einige wenige stählerne Verstrebungen zu sehen, die von lange verfallenen Gebäuden stammen mußten.
Die etwa einhundert Häuschen waren im wesentlichen in drei konzentrischen Kreisen aufgebaut worden.
In der Mitte des Dorfes stand auf einer größeren Fläche das einzige Gebäude, das an den Seiten offen war. Es stellte wohl einen Versammlungsort dar.
Korbin und Tovaa führten Gesil und die drei Männer über den Platz an diesem Haus vorbei auf eine kleine Hütte zu, deren Wände aus Zweigen und Blättern bestanden. In der Eingangstür neben dem offenen Fenster bewegte sich matt ein buntes Tuch, das nicht einmal bis zum Boden reichte. „Das Haus des
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