1498 - Horrortrip des Sensenmannes
Und er hat uns gefunden, verflucht noch mal.«
»Kann sein.«
»Und wir kommen hier nicht weg.«
»Stimmt. Es ist jetzt wichtig, dass wir die Nerven bewahren, Phil. Nicht durchdrehen, bitte.«
»Das sagst du so leicht.«
Beide hielten in den nächsten Sekunden den Mund, weil sie sich darauf konzentrieren wollten, was vor ihnen geschah. Es war ihnen egal, wie der Sensenmann den Weg zu ihnen gefunden hatte, es zählte nur, dass er gekommen war, und das bildeten sie sich nicht ein.
Sie hörten ihn jetzt auch, denn seine Sense schleifte über den alten Steinboden, als wollte sie die Melodie des Todes intonieren…
***
Keiner von ihnen bewegte sich. Sie waren einfach nicht in der Lage dazu. Jane saß wie festgewachsen auf ihrem Stuhl, und Phil Bennett stand wie eine Statue hinter ihr. Er konnte nicht sprechen und hatte Mühe, richtig Atem zu holen.
Das schwarze Pferd sahen sie nicht, aber der Sensenmann reichte ihnen auch so. Von seinen Schritten war nichts zu hören, nur das Geräusch der Sense, das mit jedem Schritt, den die Gestalt hinter sich brachte, lauter wurde.
Der Fluchtweg war ihnen versperrt. Hätte es noch einen zweiten Ausgang gegeben, dann hätte Phil sicherlich darauf hingewiesen. So aber wurden sie direkt mit dem Tod konfrontiert.
»Was können wir denn tun, Jane?« flüsterte der Lehrer.
Die Detektivin gab die Antwort auf ihre Weise. Sie holte ihre Waffe hervor.
»Erschießen?«
»Ich muss es versuchen.«
»Er ist ein Geist, ein Gespenst, was auch immer, Jane.«
»Oder auch nicht.« Es fiel ihr schwer, cool zu bleiben. Aber sie stand auch nicht auf. Sie blieb vor dem Schreibtisch hocken und zielte in den Gang, in dem die Gestalt aufgetaucht war.
Im Licht war es jetzt deutlicher zu erkennen. Jane Collins sah zuerst das Gesicht. Es schimmerte unter der dunklen Hutkrempe heller, weil es aus Gebein bestand, dem die Haut fehlte.
Ein Skelettkopf mit leeren Augenhöhlen und einem ebenfalls leeren Nasenloch. Ob der übrige Körper auch nur aus Knochen bestand, war nicht zu sehen, weil die dicke Kleidung ihn verdeckte.
Die Sense hielt er in der rechten Hand. Der Arm war dabei so weit nach unten gestreckt, dass die Klinge über den Boden schleifte und eben dieses fürchterliche Geräusch abgab.
»Du darfst mich jetzt nicht stören, Phil«, erklärte Jane mit ruhiger Stimme. »Geh am besten in Deckung.«
»Wo denn?«
»Bitte, Phil.«
Die letzte Aufforderung reichte. Er wusste jetzt, was er zu tun hatte, und trat zur Seite. Sich verstecken konnte er nirgendwo. Es gab hier nur die offenen Regale.
Es war wieder einer dieser Momente, in denen sich Jane Collins zwingen musste, eiskalt zu bleiben. Sie durfte auf keinen Fall die Nerven verlieren, sodass die Kugeln ihr Ziel verfehlten, wenn sie schoss.
Der Sensenmann setzte seinen Weg fort. In seinem Knochengesicht regte sich nichts. Es war und blieb so starr wie bleiches Gebein nur sein konnte.
Sie zielte ruhig. Ihre Hand zitterte kein bisschen. Der Zeigefinger lag bereits am Abzug. Sie musste ihn nur noch ein wenig nach hinten ziehen…
Die Sense gab beim Kontakt mit dem Steinboden immer wieder dieses hässliche Geräusch ab. Jane hörte es jetzt lauter, und sie richtete die Mündung der Waffe ein wenig nach oben.
Sie konnte nicht sagen, ob der Sensenmann die Pistole trotz seiner toten Augen sah oder vielleicht instinktiv die drohende Gefahr spürte. Wenn das der Fall war, hoffte sie, dass er die Waffe in ihrer Faust nicht ernst nahm, bis die Kugel aus der Beretta ihm den Schädel zerschmetterte.
Dass ihr ein Schweißtropfen am linken Auge entlang rann, irritierte sie nur kurz. Auch dass sich ihre Kehle ausgetrocknet anfühlte, war ihr egal, wichtig war nur der Erfolg.
Noch eine Schrittlänge ließ sie den Sensenmann näher an sich herankommen.
Dann schoss sie!
Der Knall hörte sich hier unten nicht mal besonders laut an. Es gab zu viel Papier, das den Schall schluckte, und es trat das ein, was Jane gehofft hatte.
Es war ihr gelungen, den bleichen Schädel in der Mitte zu treffen – und zu zerstören?
Nein, die Kugel war einfach hindurchgegangen, und genau das musste Jane Collins erst einmal verkraften.
Zwei, drei Sekunden lang saß sie starr da, dann schoss sie erneut.
Diesmal war der Körper das Ziel ihrer Kugel. Erneut traf sie, aber das Geschoss richtete wieder keinen Schaden an, und der Sensenmann konnte seinen Weg ungehindert fortsetzen.
Jane Collins wusste sehr genau, dass es ab jetzt verdammt eng für sie werden
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