1499 - Rattenwelt
Constabler entgegen und hätte sich bestimmt an ihm festgebissen, wäre Proctor nicht der perfekte Treffer gelungen.
Seine Faust knallte gegen den Kopf der Ratte.
Er hörte ein schrilles Quieken und glaubte auch, dass etwas im Kopf der Ratte geknackt hatte, dann landete der nasse, pelzige Körper am Boden und blieb dort liegen.
Sofort setzten die anderen Tiere nach.
Edwin Proctor blieb nur die Flucht zurück in den Wagen. Plötzlich war er froh, den Golf hinter sich zu haben. Er drehte sich um, floh die kurze Distanz bis zum Wagen, riss die Beifahrertür auf und warf sich ins Auto hinein. Er landete auf dem Vordersitz, zog die Beine an und beeilte sich, die Tür zu schließen.
Das schaffte er im allerletzten Augenblick. Die nächste Ratte befand sich bereits auf dem Sprung, aber sie erwischte nicht mehr ihn, sondern prallte gegen die Tür.
Mit einem Stöhnlaut lehnte sich der Constabler zurück. Er presste sich förmlich gegen die Rückenlehne.
Er atmete dabei heftig, und dieses Geräusch hörte sich an wie das Schnaufen einer alten Lok. Vor seinen Augen verschwamm die sichtbare Welt. Der Schock hatte ihn hart getroffen, und er musste erst mal wieder zu sich selbst finden.
Okay, ich habe es geschafft!, dachte er. Vorerst zumindest. Aber ich bin zugleich gefangen. Die verdammten Ratten werden mich nicht aus dem Wagen lassen.
Der Schnee auf der Uniform und auf seinem Gesicht schmolz zu Wassertropfen, die über seine Haut rannen. Er wischte sie weg und schaute nach vorn gegen die Windschutzscheibe.
Er hätte sie gern gesäubert. Das war ihm in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. So musste er weiterhin mit der dicken Schicht vorlieb nehmen.
»Scheiße auch – Scheiße…«
Er verstummte. Flüche brachten ihn nicht weiter. Sie sorgten auch nicht dafür, dass er aus dem Wagen kam und zu den Kollegen laufen konnte.
Er dachte an sein Handy. Manchmal war es ein Fluch. Jetzt sah er es als Segen an, wenn er die Handynummer der beiden Beamten aus London gehabt hätte.
Die aber kannte er nicht, und so saß er weiterhin in seinem engen Gefängnis und musste selbst mit seiner Lage fertig werden.
Was tun?
Nichts, gar nicht. Es war unmöglich, aus eigener Kraft dieser Falle zu entkommen. Er würde warten müssen, bis die Ratten es geschafft hatten, in der Wagen zu gelangen. Das würde zwar nicht einfach für sie sein, aber diese Nager kamen überall dorthin, wo sie hin wollten.
Es war alles nur eine Frage der Zeit. Von unten her würde es für die Tiere leichter sein, in den Wagen zu gelangen.
Und es kam darauf an, wie lange sich Jane Collins und John Sinclair bei dieser Seymour Zeit ließen. Das Gespräch würde nicht ewig dauern, aber es konnte da ein großes Problem geben. Und das hatte auch mit den Ratten zu tun. Sie würden sich bestimmt nicht nur auf einen Menschen konzentrieren. Da gab es noch die beiden im Haus, und deshalb musste er davon ausgehen, dass sie diese Bude auch belagerten. Hinzu kam, dass er Clara Seymour nicht über den Weg traute.
Also brauchte er auf die Kollegen nicht mehr zu setzen. Er musste sich selbst etwas einfallen lassen.
Zwar lebten sie hier auf dem Land, aber Handyverbindungen gab es trotzdem. Wenn er schon die Nummer John Sinclairs nicht kannte, so gab es zumindest einige andere, die ihm nicht fremd waren.
Zu seinen Freunden im Ort gehörte David Dern. Er war so etwas wie der heimliche Boss von Woodside, Gründer und auch Mitglied von einigen Vereinen, und bis zu seiner Pensionierung im vergangenen Monat hatte er noch als Chef der Wachmannschaft auf Windsor Castle gearbeitet.
Dern war nichts Menschliches fremd. Und er war ein Mann schneller Entschlüsse.
Die Nummer war eingespeichert. Edwin Proctor kam auch durch.
Jetzt, wo er sein Handy gegen das Ohr hielt, spürte er, dass er zitterte.
»David Dern hier!«
Beinahe hätte Proctor einen Jubelschrei ausgestoßen, als er die Stimme vernahm. Sie klang so normal, doch in seiner Lage kam sie ihm vor wie aus einer anderen Welt.
»Ich bin es, Edwin.«
»Was? Dass du dich meldest, ist ein Hammer. Wir haben schon nach dir gesucht.«
»Kann ich mir denken und…«
»Wo steckst du denn jetzt?« wollte Dern wissen. »Wann können wir uns treffen?«
»Zunächst mal überhaupt nicht.«
»Wie bitte?«
»Tu mir einen Gefallen, David, und hör jetzt einfach nur zu. Mehr will ich nicht von dir.«
»Klingt aber alles andere als gut.«
Proctor ging nicht näher darauf ein, sondern berichtete seine Erlebnisse. Er hoffte, dass
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