15 - Geheimagent Lennet und das Kommando Sonderurlaub
junge Mädchen.
Bei Tisch fragte der Professor Lennet nach seinen Plänen für den heutigen Abend.
»Ich will Sie nicht kränken, mein Junge, aber ich denke, es wäre vielleicht besser, wenn Sie nicht...«
»Seien Sie unbesorgt, Monsieur. Wenn Sie es gestatten, gehe ich heute abend mit Silvia ins Kino.«
»Eine glänzende Idee", meinte der Professor sichtlich erleichtert. Nach dem Essen zog er sich in sein Arbeitszimmer auf dem Dachboden zurück, während Silvia und Lennet zum Auto gingen. Doch sie fuhren nicht weit und kehrten zu Fuß zu Duponts Lieferwagen zurück. Unterwegs begegneten ihnen zwei finster aussehende Männer, die Hüte tief ins Gesicht gezogen, die Trenchcoats fest zugebunden. Offenbar »Gorillas", die ihre Wache antraten.
»Die Armen", sagte Silvia, »kein sehr angenehmer Beruf, den sie da ausüben.«
»Heute regnet es ja nicht", tröstete sie Lennet. Dupont erwartete sie bereits und hatte sich ins Führerhaus gezwängt, damit sie mehr Platz hatten. Ungefähr dreißig Meter von Marais' Haus entfernt war ein Mikrofon im Gebüsch versteckt, das die kleinsten Schwingungen der Fensterscheibe der Bibliothek wahrnahm und alles übertrug, was im Zimmer gesagt wurde.
»Uff!« war das erste Wort, das die drei hörten.
»Sie sehen so zufrieden aus, Monsieur Loiseau?« sagte darauf Marais.
»Ich bin entzückt - bitte nehmen Sie mir das nicht übel, Professor -, Ihren jungen Gast heute abend nicht unter den Anwesenden zu sehen!«
»Er ist mit meiner Tochter ins Kino gegangen.«
»Um so besser für uns. Dennoch, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten, sollten Sie Silvia nicht so oft mit ihm ausgehen lassen. Er könnte einen schlechten Einfluß auf sie haben!«
»Aber nein, Loiseau, aber nein. Ich mag Lennet sehr gern.
Außerdem kann er prima Rätsel raten.«
»Meine Herren", warf Anastase ein, »könnten wir jetzt beginnen, zumal wir ja heute abend von keinem Ungläubigen gestört werden?« Eine Viertelstunde blieb es still. Die vier Männer konzentrierten sich. Dann begann sich der Tisch langsam zu drehen. »Geist, bist du da?« fragte Marais. Es erfolgte ein dumpfer Schlag, dem zwei helle folgten. »Drei? Das ist nicht die Spielregel!« rief der Professor. »Geist, ich wiederhole: Einmal klopfen bedeutet ja, zweimal klopfen nein.« Es klopfte abermals dreimal. »Vielleicht ist das das Echo?« mutmaßte Loiseau.
»Geist, wie heißt du?« fuhr Marais fort. Eine Reihe dumpfer Schläge erklang. »Rousseau! Der unsterbliche Rousseau!« schrie Anastase. Dann ertönten hellere Schläge: 1-5, 4-3, 1-3, 4-4, 1-1, 4-2,2-4, 5-1.
»Voltaire! Der große Voltaire!« Loiseau war begeistert. »Man sollte sich aber doch einigen", murmelte Petitluron. »Ist es nun Voltaire oder Rousseau?«
»Ich nehme an, es sind alle beide", vermutete Marais. »Sie sehen, meine Herren, unsere Sitzungen werden bei den Geistern immer beliebter. Wir werden Voltaire die berühmte Frage von Alfred de Musset stellen: ,Schläfst du in Frieden, Voltaire, und schwebt dein häßliches Lächeln noch immer über deinen gebleichten Knochen?'" Die hellen Schläge überschlugen sich fast. »Ich komme kaum mit!« rief Anastase aufgeregt.
»Moment... jetzt habe ich die Botschaft entschlüsselt: Selber häßlich!« Darauf polterte es los: Sprecht doch mit Rousseau! Die hellen Schläge versuchten die dunklen zu übertönen, aber vergeblich.
Voltaire ist ein Hochstapler! grollten die dumpfen Klopfgeräusche.
Rousseau ist ein Esel! kamen die hellen zurück.
»Wunderbar!« schrie der Professor. »Man glaubt, mitten im achtzehnten Jahrhundert zu sein!«
»In der Tat konnten sich die beiden Männer schon zu Lebzeiten nicht ausstehen", belehrte sie Monsieur Loiseau. »Es ist also kein Wunder, daß ein Genie wie Voltaire einem Verrückten wie Rousseau nur Verachtung entgegenbringen konnte!«
»Sie sind verrückt, Monsieur Loiseau!«, schrie Anastase und sprang auf. »Rousseau ist der bedeutendste Mann, den die Welt je hervorgebracht hat!« Anastase hat recht! erklangen die dumpfen Schläge. Anastase ist ein Schwachkopf wie alle Spiritisten! ereiferten sich die hellen Schläge.
»Also jetzt verstehe ich gar nichts mehr", meinte Marais gekränkt, es mag sein, daß einige Spiritisten nicht an Geister glauben. Aber wo kommen wir denn hin, wenn die Geister nicht mehr an die Spiritisten glauben?« Plötzlich ertönte aus der Mitte des Tisches eine Stimme, die absolut nichts Überirdisches an sich hatte.
»He, Sie Witzbold! Raus
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