15 - Geheimagent Lennet und das Kommando Sonderurlaub
Ihrer Erlaubnis, Herr Leutnant, möchte ich Ihnen eine Vermutung meinerseits unterbreiten", mischte sich Dupont umständlich ein.
»Aber gern! Bitte fangen Sie an.«
»Ich bin kein Offizier, ich bin nur ein kleiner Techniker und meine...«
»Nun, nun, Monsieur Dupont, keine Komplexe! Haben Sie denn den Wahlspruch des FND vergessen? ,Einer wie der andere'. Wir sind alle gleich - oder?«
»Ja, Herr Leutnant. Also, ich habe mir folgendes überlegt. Wir müssen uns über drei verschiedene Phänomene klarwerden: die hörbaren, wie Geräusche und Stimmen, dann die sichtbaren, die Erscheinungen, und schließlich die fühlbaren, nämlich das Drehen des Tisches. Bis jetzt haben wir für jede Gruppe die verschiedensten Erklärungen gesucht: wie z. B. das Radio und den Motor. Nur das sichtbare Phänomen haben wir vernachlässigt.«
»Vielleicht sind es Projektionen, wie im Kino?« gab Silvia zu bedenken.
»O nein, Victor Hugo und Julius Caesar waren dreidimensional, ganz plastisch. Fahren Sie fort, Monsieur Dupont", bat Lennet.
»Nun gut. Da wir weder Radio noch Motor gefunden haben, sollten wir vielleicht woanders ansetzen.«
»Aber das führt uns unweigerlich zu echten Geistern", unterbrach ihn Silvia.
»Das ist richtig, Mademoiselle. Oder aber...«
»Oder aber zu einem anerkannten wissenschaftlichen Verfahren, das man Hypnose nennt.«
»Hypnose?«
»Ja, Loiseau, Anastase oder irgend jemand, der sich hier verborgen hielt, hat die anderen gezwungen, all das zu sehen, zu hören und zu fühlen, was sie gesehen, gehört und gefühlt haben.«
»Ich muß zugeben, daß ich daran noch nicht gedacht habe", meinte Lennet.
»Aber warum sollte jemand so etwas machen...?« fragte Silvia.
»Mademoiselle, das Wissen Ihres Vaters ist für Frankreich sehr wertvoll. Wer unserem Land Schaden zufügen wollte, könnte daran interessiert sein, daß Ihr Vater, der berühmte Professor Marais, den Verstand verliert.« Um Gottes willen!« rief Silvia. »Ich muß versuchen, ihn zu überreden, mit diesen Sitzungen so schnell wie möglich aufzuhören. Ich werde ihm sagen, daß man ihn hypnotisiert, daß man ihn verrückt machen will. Aber er wird mir wahrscheinlich nicht glauben, er ist ja so stur.«
»Ja", meinte Lennet, »wenn es gar keinen anderen Ausweg gibt, wirst du wohl mit ihm reden müssen. Aber ich bezweifle, ob er dich überhaupt anhören wird. Bei allem Respekt, den ich ihm schulde, er ist nicht nur stur, er ist so starrköpfig wie drei Maulesel zusammen. " »Ich werde ihn jedenfalls gleich über alles informieren.«
»Nein, Silvia. Ich habe eine bessere Idee. Gib mir bis morgen abend Zeit.«
»Aber wenn Papa inzwischen verrückt wird?«
»Die vierundzwanzig Stunden spielen nun auch keine Rolle mehr. Wenn meine Idee nicht funktioniert, gehen wir gemeinsam zu ihm, einverstanden?«
Der Streit der Geister
Am nächsten Tag bat Lennet Silvia, ihn nach Dieppe zu begleiten. Sie verbrachten den Vormittag damit, die unterschiedlichsten Dinge einzukaufen: zwei Töpfe, eine Spielzeugpistole, einen großen Kamm, ein Kristallglas, eine Säge, eine Kette, ein großes Stück Blech, eine Trillerpfeife, ein Gefäß für Kieselsteine, Seidenpapier und einen Plüschbären, der brummte, wenn man auf seinen Bauch drückte. Silvia, die zunächst etwas zurückhaltend war, ließ sich schließlich von Lennets Kauflust mitreißen und überredete ihn noch zu einer Klapper.
Anschließend aßen die zwei jungen Leute in einem hübschen Restaurant zu Mittag und kehrten dann zu Monsieur Dupont zurück, der inzwischen in seinem Lieferwagen sechs Tonbandgeräte aufgebaut hatte.
Sie amüsierten sich bis zum Abendbrot damit, die verschiedensten Klangeffekte zu erzielen, zum Teil direkt, zum Teil mit den am Vormittag erstandenen Gegenständen. Mal ließen sie die Bänder mit starker Beschleunigung ablaufen, dann wieder ganz langsam. Als die beiden den Techniker verließen, um zum Essen nach Hause zu gehen - er selbst aß immer im Café Victor - wünschte er ihnen einen guten Appetit und verabschiedete sich wie immer überaus höflich von ihnen.
»Ich hatte heute abend keine Zeit zu kochen", entschuldigte sich Silvia bei ihrem Vater, »ich mache deshalb ein paar Konserven auf.«
»Schon gut", beruhigte sie der Professor. »Weißt du, was ich zu Mittag gegessen habe? Einen sauren Hering mit Himbeeren.
Köstlich, sage ich dir.«
»Ach, Papa, solange du dir kein Bohnerwachs auf dein Brot schmierst, bin ich beruhigt", erwiderte das
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