15 Gruselstories
für ein Melodrama: Da ich jahrelang in Gruselfilme geschleppt worden war, kannte ich mich bestens aus. In diesen Filmen war es immer so wie jetzt hier:
Das junge Paar wird durch ein Gewitter in einem Spukhaus aufgehalten. Das Haus wird von einem geheimnisvollen Bösewicht verwaltet. (Vielleicht war dieser hier nicht so böse, aber das würde sich noch herausstellen.) Dann gibt es das berühmte Spukzimmer, in dem das Mädchen prompt in Ohnmacht fällt. Sie schläft dann in einem Zimmer ein, ist hilflos und alleine. Dann beugt sich Boris Karloff, der mit drei Pfund Papiermache verkleidet ist, über das arme Mädchen und macht ›Buh‹, woraufhin das Mädchen mit einem spitzen Schrei aufwacht. Diesen Schrei hört im unteren Geschoß ein zufällig anwesender Kriminalkommissar und fragt verblüfft: »Was war denn das?« Es setzt eine wilde Jagd ein. Peng, Peng! Und Boris Karloff fällt in eine finstere Grube. Das Mädchen bekommt einen Schreck. Der junge Mann bekommt das Mädchen. Aus. Friede, Freude, Eierkuchen.
Ich hielt mich für sehr gescheit, als ich mich mit diesem altbekannten Filmschema beschäftigte; doch als ich mich umdrehte und wieder den dunklen Gang vor Augen hatte, wußte ich, daß ich mit meinen Gedanken nur ein Versteckspiel trieb. Aber ich wollte mich dem Finsteren und Kalten, das sich in meinem Gehirn breitmachte, nicht hingeben. Trotzdem kreisten meine Gedanken unentwegt um Ivan Kluva und seine Frau, um das Spukzimmer und die Axt. Angenommen, es gab wirklich einen Geist … Daisy lag oben alleine … Der Geist schlich in das Zimmer, beugte sich über Daisy und murmelte –
»Eier und Schinken?«
»Was, zum –« Ich fuhr wie von der Tarantel gestochen herum. Zwerg Nase stand vor mir.
»Ich habe gefragt, ob Sie mit Eier und Schinken vorliebnehmen wollen. Es sieht draußen reichlich ungemütlich aus. Und ich dachte, daß Sie, während sich Ihre Frau oben ausruht, vielleicht Lust hätten, meiner Frau und mir beim Abendbrot Gesellschaft zu leisten.«
Ich hätte ihn umarmen und küssen können.
Er führte mich zum hinteren Teil des Hauses. Seine Frau sah genauso aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte: Mitte Vierzig und hager. Ihr Gesicht trug eine Duldermiene. Die Privaträume waren so nett und gemütlich eingerichtet, daß ich etwas wie Respekt vor unserem Komiker bekam. Die Show, die er vor den Besuchern abzog, mochte noch so schlecht sein, aber er verstand zu leben Und seine Frau war eine ausgezeichnete Köchin.
Der Regen prasselte gegen die Scheiben. Der Sturm fegte um das Haus. Was kann man sich Besseres vorstellen als einen molligen, gemütlichen Raum? Man fühlt sich so geborgen.
Mrs. Keenan – Zwerg Nase stellte sich selbst als Homer Keenan vor – fragte, ob ich Daisy nicht etwas Kognak hinaufbringen wolle. Ich murmelte, daß das doch nicht nötig sei, aber Keenan spitzte bei der Erwähnung von Kognak die Ohren und meinte, wir könnten doch selbst einen zu uns nehmen. Er würde geschwind das Fläschchen holen. Das ›Fläschchen‹ erwies sich als ein Dreiliterkrug und der ›Kognak‹ als ein selbstgebranntes Teufelszeug. Wir füllten unsere Gläser. Im Verlauf des Essens füllten wir sie wieder. Und wieder. Der Alkohol verscheuchte meine finsteren Gedanken – oder wenigstens fast. Da es mir nicht gelang, mich ganz davon freizumachen, verwickelte ich Homer Keenan in ein Gespräch. Besser eine langweilige Unterhaltung als bohrende Gedanken!
»Als ich merkte, daß das Jahrmarktgeschäft ein sinkendes Schiff ist, bin ich abgesprungen. Ich habe dann mal da und mal dort ein paar Dollar verdient; aber das war alles nicht das Richtige. Außerdem war meine Frau von dem ewigen Herumziehen nicht so begeistert. Dann habe ich zufällig von diesem Haus hier gehört. Die Sache
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