15 Gruselstories
seine Frau gegeben. Und es hat nie ein Mord stattgefunden. Den alten Hauklotz hatte ein Metzger ausrangiert. Und die Axt gehört mir. Kein Mord – kein Geist – nichts, wovor man sich fürchten müßte. Nur ein übler Scherz – der mir ’nen Haufen Doller einbringt. Alles ist Schwindel!«
»Kommen Sie!« schrie ich. Meine entsetzlichen Gedanken kehrten zurück und hämmerten in meinem Hirn. Ich versuchte ihn die Treppe hinaufzuziehen und hatte doch die schreckliche Erkenntnis, daß es zu spät war. Aber ich mußte einfach irgend etwas unternehmen …
Dann schrie sie.
Ich hörte es.
Ich hörte, wie sie aus dem Zimmer stürzte und den Gang entlangrannte. Als sie den Treppenabsatz erreicht hatte, schrie sie wieder. Dann verwandelte sich ihr Schreien in ein Gurgeln und Röcheln. Wir konnten nichts sehen, denn oben war es dunkel. Doch dann wankte ihre Silhouette aus der Dunkelheit. Sie schien einen Moment zu erstarren, dann sackte ihr Körper zusammen, und sie rollte und polterte die Treppe herunter. Es klang, als hüpfe ein schwerer großer Gummiball von Stufe zu Stufe. Aber es war kein Gummiball! Es war Keenans Frau, die vor unseren Füßen liegenblieb. Die Axt steckte immer noch in ihrer Kehle.
In diesem Augenblick hätte ich mich umdrehen und davonlaufen sollen, aber irgend etwas in meinem Innern zwang mich zu bleiben. Ich stand wie zur Salzsäule erstarrt neben Keenan, der auf den Körper seiner Frau hinabblickte.
Dann brach es wirr und unzusammenhängend aus mir hervor.
»Ich habe sie gehaßt – Sie können sich nicht vorstellen, wie einen die vielen Kleinigkeiten zum Wahnsinn treiben können – und Jeanne wartet – und die Lebensversicherung – wahrscheinlich hätte ich es in Valos getan – hier war es fast ein Unfall. Noch besser – viel besser –«
Doch Keenan hörte nichts von alledem. »Es gibt hier keinen Geist«, murmelte er. »Es gibt hier keinen Geist.« Er starrte fassungslos auf die gespaltene Kehle.
»Als ich die Axt sah und sie dann ohnmächtig wurde, überkam es mich mit aller Macht … Ich hätte so lange gewartet, bis Sie völlig betrunken gewesen wären … dann hätte ich sie hinausgeschafft … Sie hätten nie erfahren …«
»Was hat meine Frau getötet?« flüsterte er heiser. »Es gibt hier keinen Geist.«
Ich mußte wieder an meine Theorie denken, nach der der Haß einer Frau den Tod überleben kann und durch ständige Ausübung einer Art Vergeltung und Rache weiterexistiert. Ich sah in Gedanken, wie der körperlose Haß die Axt ergriffen und zugeschlagen hatte. Ich sah, wie Mrs. Keenan dann zu Boden gesunken war …
Als ich den Blick hob und in die grinsende Dunkelheit starrte, folterte mich mein Gehirn. Es quälte mich, bis ich dem Zwang, zu sprechen, nicht widerstehen konnte.
»Es gibt fortan einen Geist hier«, krächzte ich. »Als ich hinaufging, um nach Daisy zu sehen, habe ich die Axt genommen und sie erschlagen, müssen Sie wissen …«
Mutter der Schlangen
Diese Geschichte hat sich vor vielen Jahren, kurz nach dem Aufstand der Sklaven, zugetragen. Die Sklaven waren nach vielen vorangegangenen blutigen Auseinandersetzungen durch Toussaint l'Ouverture, Dessalines und König Christophe von der französischen Willkürherrschaft befreit worden. Sie hatten daraufhin ein Königreich gegründet, dessen Grausamkeiten und Härten die der vorherigen Regierung jedoch bei weitem in den Schatten stellten.
Die Schwarzen auf Haiti waren in jenen Tagen alles andere als glücklich. Sie hatten zu viele Quälereien und Metzeleien miterlebt. Den Sklaven und den Nachkommen dieser Sklaven war das sorglose Leben ihrer westindischen Nachbarn völlig unbekannt.
Auf Haiti war ein seltsames Rassengemisch entstanden. Es
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