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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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ge­ben. Es ist ei­ne al­te, ge­hei­me Ge­schich­te der neu­en Re­pu­blik. Und die of­fi­zi­el­len Stel­len, die sich an die­se Ge­schich­te er­in­nern, scheu­en sich auch heu­te noch, der Sa­che nach­zu­ge­hen.
    Denn der Schlan­gen­kult wird auf Hai­ti nie­mals aus­ster­ben; auf Hai­ti, die­ser phan­tas­ti­schen In­sel, de­ren ge­krümm­te Küs­ten­li­nie ei­ne be­mer­kens­wer­te Ähn­lich­keit mit ei­ner Schlan­ge hat.
     
    Ei­ner der ers­ten Prä­si­den­ten von Hai­ti war ein ge­bil­de­ter Mann. Er war zwar auf der In­sel ge­bo­ren, aber er war in Frank­reich zur Schu­le ge­gan­gen und hat­te dort sehr in­ten­siv ge­lernt. Als er sein Re­gie­rungs­amt auf Hai­ti über­nahm, galt er all­ge­mein als ein auf­ge­klär­ter, um­sich­ti­ger, mo­der­ner Mensch. Wenn er al­lein in sei­nem Bü­ro war, zog er selbst­ver­ständ­lich sei­ne Schu­he aus, aber er zeig­te nie­mals sei­ne nack­ten Ze­hen bei ei­ner of­fi­zi­el­len Be­spre­chung. Ver­ste­hen Sie das rich­tig: Die­ser Mann war kein blau­blü­ti­ger Herr­scher – er war nur ein po­lier­ter pech­schwar­zer Gent­le­man, des­sen na­tür­li­che Ur­sprüng­lich­keit ab und zu die Schran­ken der Zi­vi­li­sa­ti­on durch­brach.
    Auf al­le Fäl­le war er ein sehr ge­schei­ter Mann, der ge­nau wuß­te, was er woll­te. Ge­nau­so muß­te er auch sein, um es in je­nen Ta­gen bis zum Prä­si­den­ten zu brin­gen. Nur be­son­ders ge­schei­ten Män­nern wur­de die­se Eh­re zu­teil. Man muß da­zu nur wis­sen, daß das Wort ›ge­scheit‹ zu je­ner Zeit auf Hai­ti ei­ne höf­li­che Um­schrei­bung für ›rück­sichts­los, kor­rupt und un­ehr­lich‹ war.
    Ihm sind wäh­rend sei­ner kur­z­en Re­gie­rungs­zeit nur we­ni­ge Geg­ner ent­ge­gen­ge­tre­ten. Und die, die sich ge­gen ihn auf­lehn­ten, ver­schwan­den für ge­wöhn­lich. Hin­ter der nied­ri­gen Stirn die­ses großen, kohl­ra­ben­schwar­zen Man­nes mit dem Go­ril­la­ge­sicht ver­barg sich ein scharf­sin­ni­ges Ge­hirn.
    Sei­ne Fä­hig­kei­ten wa­ren tat­säch­lich er­staun­lich. Sei­ne ers­te Tä­tig­keit war, sich einen ge­nau­en Ein­blick in die Fi­nan­zen des Lan­des zu ver­schaf­fen. Er pro­fi­tier­te von die­sem Ein­blick so­wohl dienst­lich als auch pri­vat. Im­mer wenn es ihm ein­fiel, die Steu­ern zu er­hö­hen, ver­grö­ßer­te er zu­nächst ein­mal die Ar­mee, da­mit auf je­den staat­li­chen Steuer­ein­trei­ber zu­min­dest ein be­waff­ne­ter Sol­dat kam. Sei­ne Han­dels­ab­kom­men mit an­de­ren Län­dern wa­ren Meis­ter­stücke un­ge­setz­li­cher Le­ga­li­tät. Die­ser schwar­ze Ma­chia­vel­li wuß­te ge­nau, daß er es schnell zu et­was brin­gen muß­te, denn die Prä­si­den­ten von Hai­ti hat­ten al­le das Pech, nicht lan­ge am Le­ben zu blei­ben. Die­ser Prä­si­dent ar­bei­te­te wahr­lich schnell, und er ver­rich­te­te gan­ze Ar­beit.
    Im Hin­blick auf sei­ne be­schei­de­ne Her­kunft war das wirk­lich sehr be­mer­kens­wert. Sein Va­ter war un­be­kannt. Sei­ne Mut­ter war ei­ne He­xen­meis­te­rin in den Ber­gen, die – ob­wohl sie sich ei­ni­ger Be­liebt­heit er­freu­te – sehr arm war. Der Prä­si­dent war in ei­nem al­ters­schwa­chen Block­haus ge­bo­ren wor­den. Das ver­ein­bar­te sich al­les so präch­tig mit sei­ner zu­künf­ti­gen Wür­de als Prä­si­dent! Sei­ne Kind­heit ver­lief bis zu dem Ta­ge sehr ein­tö­nig, als ihn ein mild­her­zi­ger pro­tes­tan­ti­scher Pfar­rer ad­op­tier­te. Er war da­mals drei­zehn. Er leb­te ein Jahr lang im Hau­se die­ses gü­ti­gen Man­nes und mach­te sich als Mäd­chen für al­les nütz­lich. Dann wur­de der ar­me Pries­ter krank und ver­schied nach län­ge­rem Lei­den. Das war um so be­dau­er­li­cher, weil er recht wohl­ha­bend ge­we­sen war, sei­ne Krank­heit aber das gan­ze Geld ver­schlun­gen hat­te. Wie dem auch sei: Der rei­che Pries­ter starb, und der ar­me Sohn der He­xen­meis­te­rin dampf­te nach Frank­reich ab, um dort die Uni­ver­si­tät zu be­su­chen.
    Was die He­xen­meis­te­rin an­geht, so kauf­te sie sich einen neu­en Maulesel und sag­te zu der gan­zen Ent­wick­lung kein ein­zi­ges Wort. Durch ih­re Ge­schick­lich­keit

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