15 Gruselstories
schmerzten, daß er glaubte, es nicht länger aushalten zu können. Er konnte weder seine Augen von dem Medaillon lösen noch seine Hand heben, um diesen Talisman von der brennenden goldenen Kette zu reißen. Obwohl sein Geist durch eine qualvolle Wonne verzaubert war, versuchte ihm der Rest seines Bewußtseins zuzuschreien: »Hypnose – Einbildung – Wahnsinn.« Aber sein Körper krümmte sich weiter unter dem Einfluß des lebenden Steins. Dann kam ganz plötzlich die Erleichterung. Das eigenartige rötliche Licht der Dämmerung, das das Gehölz überflutete, vermischte sich mit dem grünen schimmernden Glanz des flammenden Amuletts auf Talquists Brust.
Roger Talquist rieb die Augen.
Wie kam er dazu, hier im Gras zu liegen? Was hatte er getan? Er hatte keine Schmerzen mehr. Sein Blut schien schneller und heißer durch seine Adern zu strömen. Er fühlte es in seinen Schläfen heftig pochen. Warum hatte er fortlaufen wollen? Warum hatte er sich vor der Macht und Kraft dieses Amuletts gefürchtet?
Es war angenehm, hier in der Dunkelheit des Waldes zu sein. Das pulsierende Leben, das der Talisman ausstrahlte, strömte jetzt in gleichmäßigem Rhythmus durch seinen Körper und kräftigte ihn. Ob die Kraft, die von dem Zeichen des Satyrs ausging, natürlich oder unnatürlich war, spielte keine Rolle. Auf alle Fälle war es eine gute Kraft. Er war ein Narr gewesen, daß er sich in eine solch panische Angst hineingesteigert hatte!
Talquist stand auf und wurde sich kaum seiner Nacktheit bewußt. Er ging langsam wieder auf den Rand der Grotte zu. Durch die Dämmerung hindurch schaute er auf die verwitterten Steine, die weiß schimmerten. Das Gras schien grüner und saftiger zu sein. Alles schien hier von neuem Leben erfüllt zu sein. Talquist glaubte mehr und größere Steine als am Nachmittag zu sehen. Sie bildeten nach wie vor einen großen Kreis. Talquist war gerade im Begriff, zu den Steinen zu gehen und sie zu untersuchen, als er plötzlich in der Bewegung verharrte. Irgend etwas befahl ihm, im Schatten der Büsche zu bleiben.
Er hörte aus der Ferne eigenartige Laute, die ihn an Flötentöne erinnerten. Dann trat eine kleine Prozession von bärtigen Männern, die alle in Weiß gekleidet waren, auf die Lichtung. Es mochten etwa ein Dutzend Männer sein. Talquist glaubte in ihnen einige Bewohner der Siedlung zu erkennen.
Dann hielten sie also hier immer noch Gottesdienste ab!
Die Priester, und es waren alles Priester, versammelten sich um den Mittelaltar. Talquist konnte sehen, wie sie mit großer Bestürzung den Leichnam von Lepolis entdeckten. Sie drängten sich dicht aneinander und flüsterten in der Dämmerung.
»Er hat uns gesagt, daß der junge Ausländer reif wäre«, flüsterte einer so laut, daß Talquist es verstehen konnte.
»Irgend etwas muß schiefgegangen sein.«
»Kommt, wir wollen gehen, ehe sie sich hier versammeln.«
»Gut. Denn sie werden bestimmt kommen, um sich den Toten zu holen.«
»Das Amulett ist schon verschwunden, aber wir wollen trotzdem den Weihrauch anzünden.«
»Beeilt euch! Ich habe Angst.«
Die Männer trugen kleine Holzbündel zu den acht äußeren Steinen und zündeten sie an. Große parfümierte Rauchschwaden wehten zu den Himmeln der Waldgötter empor. Es war eine Szene aus dem alten Griechenland – dem alten Griechenland der sagenumwobenen Waldgötter.
Der Körper des alten Lepolis lag auf dem Mittelaltar. Um ihn herum erhob sich der beißende Rauch. Die alten Männer entfernten sich eilig. Dabei flüsterten sie und warfen verstohlene Blicke zurück auf den Altar.
Talquist duckte sich und beobachtete. Sein Atem ging rasch und unregelmäßig.
Minutenlang blieb es totenstill. Dann setzte
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