15 Gruselstories
Wahrheit gesprochen?
Lepolis war immerhin – wenn auch nicht beabsichtigt – wie ein Opfer auf dem Altar gestorben. Lepolis, der die Absicht gehabt hatte, Talquist zu opfern, um dafür als Belohnung die Gnade des ewigen Lebens zu erhalten, auch wenn er durch das göttliche Blut der Satyre in ein Wesen umgewandelt würde, das nur noch sehr wenig Ähnlichkeit mit einem Menschen hatte. Aber Lepolis hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Er hatte den Tod gefunden. Danach hatte Talquist jenen sonderbaren Talisman gefunden. Seltsam, daß er ihn vorher bei seiner Suche nicht entdeckt hatte! War er vielleicht vorher nicht dagewesen? Ist er nach dem Opfer erst gesandt worden? Dieser grollende Donner unter seinen Füßen …
Aber das war alles Unsinn! Im zwanzigsten Jahrhundert gibt es keine Waldgeister!
Aber die Hufabdrücke im Gras … Talquist versuchte an etwas anderes zu denken. Er dachte an seinen Körper. Das war in gewisser Weise auch naheliegend, denn er mußte sich fragen, wie es wohl käme, daß er sich auf einmal so eigenartig fühlte.
Damit kehrten seine Gedanken unweigerlich zum Ausgangspunkt zurück.
Mit einer instinktiven Handbewegung wollte er sich das Amulett vom Halse reißen. Seine Finger umklammerten wieder den Stein. Aber in diesem Augenblick schoß ein derart starker Kraftstrom durch seinen Körper, daß sein Arm so lahm wurde, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen.
Was tat ihm dieses schreckliche Ding am Hals an? Verwandelte es ihn?
Großer Gott, ihm tat alles weh. Seine Arme und Beine brannten wie Feuer. Als er weiterstolperte, fühlte er den stechenden Schmerz in seinen Oberschenkeln. Ihm kam flüchtig in den Sinn, daß man ihn in seiner Kindheit bei ähnlichen Schmerzen immer mit der Erklärung getröstet hatte, daß er wieder ein Stück gewachsen wäre.
Ein Stück gewachsen!
Talquist fühlte, wie er langsam in eine Panikstimmung geriet, und er bemühte sich verzweifelt, vernünftig zu denken. Es war Rheumatismus – selbstverständlich war es Rheumatismus! Er hatte sich hier in der feuchten Waldluft eine Erkältung geholt. War das vielleicht ein Wunder? Und die Füße taten ihm einfach aus dem Grunde weh, weil er zu enge Schuhe anhatte.
Als er durch die Lichtung ging, knöpfte er sein Hemd auf. Dann blieb er stehen und öffnete die Schnürsenkel, um seine Schuhe auszuziehen.
Obwohl er sicher Fieber hatte und glaubte, ihm müßte der Kopf zerspringen, fühlte er sich auf der anderen Seite irgendwie beschwingt. Er fürchtete sich, und doch erfüllte ihn gleichzeitig eine unbekannte Fröhlichkeit.
Fieber? Vielleicht. Aber sein Körper schien trotz der Schmerzen nicht mehr zu ihm zu gehören. Er fuhr sich mit der Hand über die Augenbrauen und schien gar nicht zu merken, daß er sie nachdenklich zusammengezogen hatte. Als seine Hände die stoppeligen Wangen berührten, überlegte er angestrengt, ob er heute morgen vergessen hatte, sich zu rasieren. Seine Hände waren gebräunt, und in seinen Fingerspitzen prickelte es immer noch von der Berührung des Amuletts.
Er sollte eigentlich eine Pause machen. Er mußte sich ausruhen. Der barfüßige Talquist, der sich inzwischen auch des Hemdes entledigt hatte, ließ sich im Schatten eines Busches am Rande der Lichtung fallen. Das letzte Flimmern der untergehenden Sonne huschte über seine Brust.
Er richtete seine Augen wieder auf den grünen brennenden Glanz des Amuletts. Unter seinem starren Blick schien sich das ganze Ding in eine einzige brennende Flamme zu verwandeln. Er hatte das Gefühl, auf eigenartige Weise gepeinigt und gefoltert zu werden.
Seine Muskeln streckten und strafften sich, und seine Nerven vibrierten und
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