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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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den Hausan­ge­stell­ten und mit Dok­tor Tur­ner, der sie häu­fig auf­such­te. Sie schau­ten Lau­ra ei­gen­ar­tig an, wenn sie mit ihr spra­chen.
    Wahr­schein­lich dach­ten sie, daß Lau­ra lang­sam alt wür­de. Aber sie wur­de nicht alt. Die Spie­gel lo­gen nicht. Die falschen Zäh­ne und die Pe­rücke be­nutz­te sie nur, um den an­de­ren – den Au­ßen­sei­tern – einen Ge­fal­len zu tun. Sie brauch­te die­se Din­ge wirk­lich nicht, denn die Spie­gel sag­ten ihr, daß sie un­ver­än­dert schön wä­re. Ob­wohl die Spie­gel jetzt wirk­lich zu ihr spra­chen, sag­te sie selbst nie­mals ein Wort. Sie nick­te nur und wieg­te sich, wenn sie, in ei­ne Wol­ke von Par­füm ein­gehüllt, vor ih­ren Spie­geln saß. Sie strich sich mit der Hand über den Hals und lausch­te hin­ge­bungs­voll den Wor­ten der Spie­gel, die sag­ten, wie schön sie wä­re und wel­che Tri­um­phe sie er­le­ben könn­te, wenn sie ih­re Schön­heit an die Welt ver­schwen­den wür­de. Aber das kam gar nicht in Fra­ge. Sie wür­de nicht weg­ge­hen. Nie­mals. Sie und die Spie­gel soll­ten im­mer bei­sam­men sein.
    Dann kam der Tag, an dem sie sie fort­schaf­fen woll­ten. Sie wag­ten tat­säch­lich, nach ihr zu grei­fen – nach ihr, Lau­ra Bell­man, der schöns­ten Frau der Welt! War es ein Wun­der, daß sie sich da­ge­gen wehr­te und wild um sich schlug? Konn­te sie viel­leicht et­was da­für, daß da­bei ei­ner der Die­ner einen sol­chen Schlag er­hielt, daß er der Län­ge nach in einen ih­rer herr­li­chen Spie­gel fiel, sich den Schä­del zer­trüm­mer­te und starb? Wenn er nicht ge­stor­ben wä­re, hät­te sie ihn ent­las­sen, denn sein häß­li­ches Blut be­fleck­te das Spie­gel­bild ih­rer per­fek­ten Schön­heit.
    Na­tür­lich war das al­les nicht ih­re Schuld, son­dern nur ein dum­mer, un­an­ge­neh­mer Zwi­schen­fall. Das muß­te Dr. Tur­ner auch dem Po­li­zei­rich­ter er­klärt ha­ben, denn Lau­ra brauch­te mit dem Rich­ter gar nicht sel­ber zu spre­chen und sie brauch­te auch nicht das Haus zu ver­las­sen. Aber sie schlos­sen die Tür zu ih­rem Zim­mer ab und nah­men ihr al­le Spie­gel weg.
    Sie nah­men ihr al­le Spie­gel weg! Sie schlos­sen sie ein und lie­ßen ein dür­res, ver­hut­zel­tes Weib al­lei­ne, dem kein Spie­gel­bild ent­ge­gen­lä­chel­te. In dem Au­gen­blick, als sie die Spie­gel ent­fern­ten, mach­ten sie sie alt. Sie war alt und häß­lich und vol­ler Angst.
    Sie wein­te die gan­ze Nacht. Sie schluchz­te und stol­per­te mit vor Trä­nen er­blin­de­ten Au­gen durch das Zim­mer.
    Sie preß­te ih­re hei­ße, fal­ti­ge Stirn ge­gen das küh­le Fens­ter­glas und er­starr­te. Mit ei­nem Schlag wuß­te sie, daß sie alt war und daß sie nichts ret­ten könn­te.
    Das Licht war hin­ter ihr, und das Fens­ter­glas – wur­de zum Spie­gel! Mit vor Schre­cken ge­wei­te­ten Au­gen starr­te sie auf die auf­ge­ta­kel­te al­te He­xe, auf die Mu­mie, die ge­ra­de von ei­nem Ver­rück­ten ein­bal­sa­miert wor­den zu sein schi­en.
    Al­les be­gann sich zu dre­hen. Sie wuß­te, daß das ihr Haus war, in dem sie je­den Win­kel kann­te. Sie wuß­te, daß das ihr Zim­mer war, in dem sie schon im­mer und ewig leb­te. Aber das – die­ser Alp­traum – konn­te nie und nim­mer ihr Ge­sicht sein! Ein Spie­gel könn­te ihr jetzt die Wahr­heit sa­gen. Aber für sie wür­de es nie wie­der einen Spie­gel ge­ben! Nach­dem sie se­kun­den­lang in ihr wah­res Ge­sicht ge­st­arrt hat­te, ver­än­der­te sich die glän­zen­de Fens­ter­schei­be gnä­dig. Ihr lä­chel­te wie­der die jun­ge, un­ver­gäng­lich schö­ne Lau­ra Bell­man ent­ge­gen. Sie rich­te­te sich er­leich­tert auf, trat einen Schritt zu­rück und voll­führ­te einen Freu­den­tanz.
    »Spieg­lein, Spieg­lein an der Wand, wer ist die Schöns­te im gan­zen Land?«
    Sie tanz­te und tanz­te, und ih­re wel­ken Lip­pen um­spiel­te ein selbst­be­wuß­tes Lä­cheln. Sie tanz­te auf die Fens­ter­schei­be zu und halb in sie hin­ein. Sie tanz­te, bis die spit­zen Glass­plit­ter ih­re dür­re Keh­le durch­schnit­ten.
    So starb sie, und so fan­den sie die an­de­ren. Der Arzt und die Hausan­ge­stell­ten eil­ten her­bei, aber sie konn­ten Lau­ra nicht mehr hel­fen. Der

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