15 Gruselstories
unbarmherzig – aber es war eine weibliche Unbarmherzigkeit. Sie modelte Joe Elliot um, aber sie brachte es dabei auch fertig, daß ihm das gefiel. Es war ganz offensichtlich, daß er nichts dagegen einzuwenden hatte. Ich gewöhnte mich so rasch und gründlich an den neuen Elliot, daß ich eigentlich an den alten Elliot überhaupt nicht mehr dachte; an den alten Joe, der bei Smitty an der Theke lehnte und steif und fest behauptete, das Mädchen müßte erst geboren werden, das imstande wäre, ihn einzufangen.
Als der Hochzeitstermin näherrückte, verkündete Donna bereits lauthals ihren Plan, ein Haus zu kaufen. »Man kann doch, Gott behüte, nicht eine Familie in einer Wohnung gründen.« Elliot hörte interessiert zu und lächelte sogar.
Wie sagte doch in früheren Zeiten der alte Joe in Smitty’s Biertube mit erhobenem Zeigefinger so schön? »Ich mag zwar ein unterdrückter Lohnsklave sein, aber ihr werdet nie erleben, daß ich ein vertrottelter Haussklave werde. Wenn ich ihn schon sehe: den lieben alten Paps, den guten amerikanischen Daddy, ohne den jede Radio- und Fernsehstation pleite machen würde. Nein, Kameraden, das ist nichts für mich! Ich bin mehr für die alte Volksweisheit: Man sollte sich Kinder ansehen, aber sie sich nicht selber anschaffen!«
Doch damals kannte er Donna noch nicht!
Ich glaube, damals konnte er sich nicht einmal im Traum vorstellen, wie schön es sein könnte, eine Frau ständig um sich zu haben. Eine Frau, die einem die Pfeife anzündet, die einem die Krawatte richtet und die die Pommes frites genau dann fertig hat, wenn auch das Steak durch ist. Damals hatte er noch nicht herausgefunden, was es für einen Mann bedeuten kann, jemanden zu haben, der die Arme wortlos ausstreckt und nur mit den Augen redet.
Und eins war mir in diesem Fall völlig klar: Donna zog keine Show ab. Sie liebte diesen Burschen. In der Nacht, in der sie von einer Party zurückfuhren und Donna sterben mußte, war ihr Herz von Liebe zu ihm erfüllt. Darüber konnte überhaupt kein Zweifel bestehen. Das war wirklich.
Alles war wirklich gewesen – bis zum heutigen Tage. Denn heute war Joe Elliot mit seiner Geschichte von dem Schatten dahergekommen.
Ich richtete meinen Blick auf die schimmernde Zimmerdecke. In dem Halbdunkel, in dem fahlen Mondlicht war ich fast im Begriff, an die Geschichte zu glauben.
Vielleicht sind wir doch nicht ganz so intellektuell, wie wir uns immer einreden. Gespenster sind aus der Mode gekommen, und die Vorstellung, daß die Liebe über das Grab hinausreichen könnte, ist zu einem Ammenmärchen geworden. Aber was würde geschehen, wenn man einen Intellektuellen in das pechschwarze Innere eines Spukhauses führt, sämtliche Türen verriegelt und ihn zwingt, die Nacht dort zu verbringen? Seine Haare mögen am Morgen nicht weiß gefärbt sein; aber die Nacht wird trotzdem nicht spurlos an ihm vorübergegangen sein. Unser Intellekt lehnt übernatürliche Vorgänge ab – aber unser Gefühl ist nicht so ganz sicher. Wir sind hilflos, wenn die Dunkelheit hereinbricht und die Furcht sich einschleicht.
Was soll ich darum herumreden? Es war dunkel, und ich wartete darauf, daß Donna erschiene. Ich wartete und wartete. Ich habe wahrscheinlich so lange gewartet, bis ich darüber eingeschlafen bin. Ich erzählte es Joe Elliot, als ich mit ihm zwei Tage später zum Essen ging. »Sie ist mir nicht erschienen«, stellte ich fest.
Er schielte zu mir herüber. »Natürlich nicht«, murmelte er. »Das konnte sie ja auch nicht, denn sie war bei mir .«
Ich mußte einige Male schlucken, bis ich mühsam »Schon wieder?« hervorbrachte.
Er nickte. »Ja. In der letzten Nacht und in der Nacht davor.«
»Und –? War es genauso wie beim
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