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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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Spe­zi­al­sor­te an.
    Das ließ ich mir al­les ge­ra­de noch ge­fal­len. Aber als er sag­te: »Ich ha­be ges­tern abend dei­ne Schwes­ter ge­se­hen«, reich­te es mir. Da­mit ging er ent­schie­den zu weit.
    Ich öff­ne­te den Mund – und klapp­te ihn wie­der zu, weil ich nicht wuß­te, was ich sa­gen soll­te. Was hät­te ich auch auf die­se Be­mer­kung hin sa­gen kön­nen? Ich hat­te die­sen Satz wäh­rend ih­rer Ver­lo­bungs­zeit wohl an die hun­dert­mal ge­hört. Und das war da­mals auch ganz na­tür­lich.
    Es wä­re auch heu­te noch ganz na­tür­lich – wenn mei­ne Schwes­ter nicht vor drei Wo­chen ge­stor­ben wä­re.
    Joe El­liots Lä­cheln wirk­te nicht sehr über­zeu­gend, als er sag­te: »Das klingt ver­rückt, nicht wahr? Aber es ist die Wahr­heit. Ich ha­be Don­na ges­tern nacht ge­se­hen oder sa­gen wir mal: ih­ren Schat­ten.«
    Ich fand im­mer noch kei­ne Wor­te. Ich blick­te ihn an und war­te­te, was nun wohl kom­men wür­de.
    »Sie kam zu mir ins Schlaf­zim­mer und beug­te sich über mich. Ich glau­be, du weißt, daß ich seit dem Un­fall im­mer Schwie­rig­kei­ten mit dem Ein­schla­fen ha­be. Ich lag je­den­falls schlaf­los im Bett und starr­te die De­cke an und hat­te ge­ra­de über­legt, ob ich auf­ste­hen und die Ja­lou­si­en her­un­ter­las­sen soll­te, denn der Mond schi­en so hell. Als ich mich ent­schlos­sen auf die Sei­te dreh­te und die Bei­ne aus dem Bett schwin­gen woll­te, war sie da. Sie stand ganz ein­fach da, beug­te sich zu mir und streck­te die Ar­me aus.«
    El­li­ot rutsch­te auf dem Ses­sel hin und her. »Ich weiß ganz ge­nau, was du denkst! Der Mond­schein fiel auf einen Ge­gen­stand im Zim­mer, durch den ein merk­wür­di­ger Schat­ten ent­stand, und ich ha­be mir den Rest zu­sam­men­ge­reimt! Oder du denkst, daß ich doch ge­schla­fen und da­bei ge­träumt ha­be, oh­ne es zu wis­sen. Aber ich weiß ganz ge­nau, was ich ge­se­hen ha­be! Es war Don­na! Ich wür­de sie im­mer und über­all er­ken­nen. Auch wenn es – wie ges­tern – nur ei­ne Sil­hou­et­te war.«
    Ich fand mei­ne Spra­che wie­der, oder zu­min­dest ein Kräch­zen, das ei­ne ge­wis­se Ähn­lich­keit mit mei­ner Stim­me hat­te. »Was hat sie ge­macht?«
    »Ge­macht ? Gar nichts hat sie ge­tan. Sie stand nur da und streck­te die Ar­me aus, als war­te sie auf et­was.«
    »Auf was hat sie ge­war­tet?« El­li­ot blick­te auf den Bo­den. »Das ist ver­dammt schwer zu er­klä­ren«, mur­mel­te er. »Es klingt so – ach, zum Teu­fel, wie es klingt! Als Don­na und ich ver­lobt wa­ren, hat­te sie sich einen spe­zi­el­len Trick an­ge­wöhnt. Wenn wir uns un­ter­hiel­ten oder ir­gend et­was All­täg­li­ches ta­ten, zum Bei­spiel nach dem Es­sen die Tel­ler ab­ge­wa­schen ha­ben oder so – dann kam es häu­fig vor, daß sie ganz plötz­lich und un­mo­ti­viert die Ar­me aus­streck­te. Das war un­ser Spiel­chen, und ich wuß­te, was es zu be­deu­ten hat­te. Sie woll­te ge­küßt wer­den, und ich küß­te sie dann. Du wirst furcht­bar la­chen, aber ge­nau das ha­be ich auch in der letz­ten Nacht ge­macht. Ich bin auf­ge­stan­den und ha­be ih­ren Schat­ten ge­küßt.«
    Ich lach­te nicht. Ich rühr­te mich nicht. Ich saß wie an­ge­wur­zelt da und starr­te ge­bannt auf sei­ne Lip­pen. Da El­li­ot aber in brü­ten­des Schwei­gen zu ver­sin­ken schi­en, muß­te ich et­was sa­gen, um das Ge­spräch in Gang zu hal­ten. »Aha, du hast sie al­so ge­küßt. Und was ge­sch­ah wei­ter?«
    Er schau­te mich an. »Nichts. Sie ging weg.«
    »Sie ver­schwand?«
    »Nein. Sie ging weg. Der Schat­ten ließ mich los, dreh­te sich um und ging durch die Tür.«
    »Der Schat­ten ließ dich los?« Mei­ne Stim­me über­schlug sich fast. »Willst du da­mit viel­leicht sa­gen … ?«
    Er nick­te. Ein Ni­cken läßt sich schwer be­schrei­ben, aber ich möch­te sa­gen, es war eher ei­ne re­si­gnie­ren­de als ei­ne her­aus­for­dern­de Be­we­gung. »Ge­nau das«, mur­mel­te er. »Als ich sie küß­te, leg­te sie die Ar­me um mich. Ich – ich ha­be es ge­se­hen – und ich ha­be es ge­fühlt . Ich ha­be auch ih­ren Kuß ge­spürt. Das war ein recht merk­wür­di­ges Ge­fühl. Man küßt schließ­lich nicht al­le Ta­ge einen Schat­ten!

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