15 Gruselstories
erstenmal?«
»Haargenau.« Er zögerte, aber dann fuhr er fort: »Nur mit dem Unterschied, daß sie dieses Mal länger geblieben ist.«
»Wie lange?«
Er zögerte mit der Antwort so lange, bis das Schweigen im Raum lastete. Dann machte er eine heftige Bewegung, und seine Serviette fiel zu Boden. Beim Bücken flüsterte er kaum vernehmbar: »Die ganze Nacht.«
Ich wagte nicht, die nächste Frage zu stellen. Ich brauchte es auch nicht zu tun. Ein Blick in sein Gesicht sagte mir genug.
»Sie ist leibhaftig«, krächzte Elliot. »Donna, der Schatten, ist leibhaftig. Erinnerst du dich, was ich dir zu Anfang gesagt habe? Der Vergleich mit dem verwässerten Whisky?« Er beugte sich vor. »Dieser Vergleich stimmt nicht mehr. Sie scheint, nachdem sie einmal durchgebrochen ist, stärker geworden zu sein. Hältst du das für möglich? Vielleicht brauchen sie die Praxis, um von Mal zu Mal stärker zu werden.«
Sein Gesicht war dem meinen so nahe, daß ich seinen Atem spüren konnte. Und er hatte nicht getrunken! Jedenfalls nicht mehr, als in der Nacht, in der der Unfall passierte. Ich hatte das damals bezeugen müssen, und meine Aussage hatte eine Verhandlung im Keime erstickt.
O nein, Elliot war nicht betrunken! Ich wäre heilfroh gewesen, wenn er es wäre. Dann hätte ich ihm das nicht sagen müssen, was ich jetzt zu sagen hatte. Aber so blieb mir keine Wahl.
»Meinst du nicht, es wäre ganz gut, wenn du wieder einmal zu Dr. Foster gehen würdest?« fragte ich widerstrebend.
Joe Elliot legte die Hände flach auf den Tisch und spreizte die Finger. Er versuchte zu grinsen. »Ich wußte, daß du das vorschlagen würdest. Darum habe ich Dr. Foster heute früh schon angerufen und mich angemeldet.«
Ich brachte es fertig, nicht erleichtert aufzuseufzen. Aber ich war erleichtert! Sekundenlang hatte ich befürchtet, mit meiner Frage eine heftige Diskussion heraufzubeschwören. Nicht, daß ich etwas gegen Diskussionen hätte – ganz im Gegenteil –, aber bei dieser Unterhaltung hätte sich etwas Grundsätzliches über Elliot herausstellen können, etwas, das ich im Grunde meines Herzens nicht wahrhaben wollte. Deshalb war ich über seine Antwort so froh. Sie bewies, daß er noch nicht völlig den Boden unter den Füßen verloren hatte.
»Du brauchst dir keine Gedanken zu machen«, versicherte er mir. »Ich kann dir jetzt schon sagen, was mir Dr. Foster empfehlen wird: Beruhigungstabletten, Schlaftabletten, Ruhe, Entspannung und Erholung und – wenn das alles nicht helfen sollte – einen Psychiater. Ich werde jede seiner Anweisungen befolgen.«
»Versprichst du mir das?«
»Aber sicher.« Sein Grinsen mißglückte auch diesmal. Sein Gesicht verzog sich lediglich zu einer hilflosen Grimasse, als er fragte: »Möchtest du etwas Lustiges hören? Dann hör zu: Ich fange langsam an, mich vor deiner Schwester zu fürchten – auch wenn sie nur ein Schatten ist.«
Was sollte ich dazu sagen? Mein Gesicht war ausdruckslos, als wir uns vor dem Restaurant schweigend trennten.
Ich ging in die Redaktion zurück. Und er machte sich auf den Weg zu Dr. Foster.
Es vergingen einige Tage, ehe ich etwas von dem Ergebnis dieses Besuches erfahren konnte. Denn als ich in die Redaktion zurückkehrte, erwartete mich eine Überraschung. Ich bekam einen eiligen Reportageauftrag und mußte zu diesem Zweck für einige Tage nach Indochina fliegen.
Die Vorbereitungen für diese Reise nahmen meine Zeit so sehr in Anspruch, daß ich einfach nicht dazu kam, Joe Elliot anzurufen. Da ich dauernd unterwegs war, gelang es auch ihm nicht, mich zu erreichen.
Er erwischte mich schließlich auf dem Flughafen, wo ich schon mit einem Bein in der Maschine nach Indochina war.
»Es ist ein Jammer, daß wir
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