15 Gruselstories
einen furchtbaren Schock erlitten. Meine Gegenwart war ihm nicht bewußt geworden, die klaffende Wunde auf seiner Stirn war ihm nicht bewußt geworden, und selbst die Tatsache, daß Donna tot war, war nicht in sein Bewußtsein gedrungen. Er redete unaufhörlich auf sie ein, als sie zur Ambulanz geschafft wurde. Er versuchte ihr zu erklären, daß der Unfall passiert wäre, weil der Wagen durch eine Öllache auf der Straße ins Schleudern gekommen war. Aber Donna verstand von alledem nichts, denn sie war bereits tot. Sie war in dem Augenblick gestorben, als ihr Kopf durch die Windschutzscheibe prallte.
Das war nicht nur meine persönliche Meinung gewesen, sondern das hatten auch die medizinischen Untersuchungen ergeben. Der Tod war durch den Unfall eingetreten. Und ganz sicher zweifelten daran weder die Leichenbestatter noch der Priester, der die Rede am Sarg gehalten hatte, noch die Männer, die den Sarg draußen in Forest Hills ins Grab gesenkt hatten. Donna war tot.
Und jetzt, drei Wochen danach, kam Joe Elliot daher und sagte, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt: »Ich habe deine Schwester gesehen – oder zumindest ihren Schatten.« Der nüchterne Nachrichtenredakteur Joe, der für seine zynischen Bemerkungen bekannt war, wollte einen Schatten geküßt haben! Er hatte behauptet, Donna hätte mit ausgestreckten Händen vor ihm gestanden, und er hätte sie erkannt!
Ich hatte es für überflüssig gehalten, ihm zu sagen, daß ich Donnas typische Handbewegung, die er so ausführlich beschrieben hatte, sehr gut kannte. Denn ich habe dieses Hände-Ausstrecken zufällig selbst einmal gesehen. Das war lange, bevor Joe Elliot aufgekreuzt war. Das war noch zu Frankie Hankins Zeiten gewesen. Als Donna mit Frankie verlobt gewesen war, hatte sie denselben Trick angewandt. Ich fragte mich, ob Frankie drüben in Japan wohl schon von ihrem Tod gehört haben mochte. Denn Frankie war zur Armee gegangen, und das hatte die Romanze beendet.
Wenn ich mich recht erinnere, hatte Donna den Trick mit den plötzlich ausgestreckten Armen auch bei Gil Turner benutzt. Das war allerdings nur eine kurze Affäre gewesen. Aber das hätte ihr damals jeder prophezeien können. Turner war eine absolute Niete. Er tingelte eine Zeitlang durch die ganze Stadt und war dann plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.
Donna fiel aus allen Wolken und konnte das Ganze überhaupt nicht begreifen. Aber sie beruhigte sich auch rasch wieder, denn dann stellte ich ihr Joe Elliot vor.
Es läßt sich nicht bestreiten, daß es für beide die Liebe auf den ersten Blick war. Sie waren innerhalb eines Monats verlobt und wollten noch im Verlauf dieses Sommers heiraten. Donna zog ihn völlig in ihren Bann.
Ich wußte natürlich, daß meine Schwester eine sehr zielbewußte Frau war (oder anders ausgedrückt, daß sie ihren eigenen Weg ging – aber wehe dem, der ihn durchkreuzte), doch es war wirklich interessant, zu beobachten, wie sie Joe Elliot bearbeitete. Ehe ich und alle seine Freunde es richtig begriffen, war Joe aus seinen saloppen Sport Jacketts heraus und in grauen Tweed gehüllt, statt seiner stinkenden Zigarren wurde ihm eine Bruyerepfeife in die Hand gedrückt, und statt seine übliche Bockwurst in der Stehkneipe zu verschlingen, speiste er jetzt abends bei Kerzenschein in Donnas komfortablem kleinem Apartment.
Man konnte wirklich sagen, daß sie diesen Burschen völlig umgekrempelt hatte. Er rasierte sich jetzt zweimal am Tage und trottete mit seinem Gehalt treu und brav zur Bank statt zu Smitty’s Bierstube.
Das mußte man Donna zugute halten: Sie wußte, was sie wollte; und sie wußte auch, wie sie es erreichte. Vielleicht war sie
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