15 Gruselstories
für intelligenter gehalten!«
»Ich mich auch.« Joe nahm mir die Flasche aus der Hand. »Du hast gehört, was ich dir gesagt habe. Ich dachte, ich hätte alles überstanden. Selbst als er starb, habe ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Das änderte sich erst, als Donna wieder bei mir erschien.«
Ich beobachtete ihn, während er trank, und wartete.
»Jawohl! Sie ist natürlich wieder zu mir gekommen! Und seitdem kommt sie Nacht für Nacht! Ich kann machen, was ich will: Ich werde sie nicht los. Aber was soll ich reden, du glaubst mir ja doch nicht …«
»Weißt du, Joe –«, begann ich hilflos.
Vielleicht merkte er gar nicht, daß ich nicht wußte, was ich sagen sollte. Als er jetzt weitersprach, bemühte er sich, seiner Stimme einen ironischen Unterton zu geben. »Sie flüstert mir auch sehr beruhigende Dinge zu. Ich glaube, ich habe dir noch nicht erzählt, daß sie jetzt spricht, nicht wahr? Aber seit einiger Zeit tut sie das. Sie sagt, daß sie glücklich sei und daß es nicht mehr lange dauern würde, bis sie alles hätte, was sie wollte …«
Seine Stimme brach ab. Ich konnte gerade noch rechtzeitig aufspringen, um ihn aufzufangen. Sein Körper hing kalt und schlaff in meinen Armen. Er war leicht. Viel zu leicht. Joe Elliot mußte unheimlich viel Gewicht verloren haben. Aber das war wohl nicht das einzige, was er verloren hatte.
Wahrscheinlich hätte ich ihn wieder zu sich bringen können, aber ich unterließ es und glaube, daß ich ihm damit einen weit größeren Gefallen tat. Ich trug ihn zum Bett und half ihm aus den Kleidern. Als ich ihm den Schlafanzug überstreifte, hatte ich nicht das Gefühl, einen Mann, sondern eine Kleiderpuppe anzuziehen. Nachdem ich ihn zugedeckt hatte, ließ ich ihn allein. Er würde jetzt tief und fest schlafen. Kein Schatten würde seinen Schlaf stören.
Während Joe schlief, versuchte ich, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Weil Donna meine Schwester war, die ich geliebt hatte, und weil Joe Elliot mein bester Freund war, mußte ich einfach die Lösung finden.
Wenn Patridge nur noch am Leben wäre! Wenn ich mit ihm reden könnte! Dann wüßte ich, was er von den Wahnvorstellungen meines Freundes gehalten hatte. Nach acht Monaten müßte sich ein Psychiater wie Patridge ein genaues Bild gemacht haben … Der nächste Gedanke traf mich wie ein Peitschenhieb. Ich duckte mich. »Nein«, murmelte ich dann bestürzt vor mich hin, »nein, das kann nicht sein.«
Obwohl ich mir dieses ›Nein‹ immer wieder sagte, rief ich eine Taxe, ließ mich in die Redaktion fahren und holte mir das ganze Material über Patridges Selbstmord aus dem Archiv.
Nachdem ich alles gelesen hatte, fuhr ich zur Polizei, um mir dort den Bericht über die Leichenschau zeigen zu lassen.
Ich stellte keine besonderen Fragen, und ich verfiel in keine ausgesprochene Detektiv-Tätigkeit. Das liegt mir nicht. Aber nach Durchsicht der gesamten Unterlagen kam ich zu derselben Ansicht wie Joe Elliot: Patridge war nicht aus dem Fenster gesprungen, sondern er war hinausgestoßen worden!
Ich weiß nicht, wieso ich zu dieser Überzeugung kam, denn es gab nicht den geringsten greifbaren Beweis dafür; die Berichte wiesen keine Lücke, keinen Widerspruch auf. Ich las alles wieder und wieder durch. In stundenlanger Kleinarbeit setzte ich ein Mosaik zusammen. Als das Bild endlich fertig war, brach eine Welt für mich zusammen.
Ich weiß nicht, wie lange ich ziellos durch die Straßen gegangen war, bis ich schließlich in Smitty’s Bierstube landete. Dort schüttete ich einige harte Drinks in mich hinein. Ich redete mit keinem Menschen. Ich hätte auch nicht gewußt, mit wem ich jetzt reden sollte – auf alle Fälle ganz gewiß nicht mit der Polizei oder dem Staatsanwalt. Sie hätten mir auch nicht helfen können, denn ich hatte
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