15 Gruselstories
nicht wahr, Joe? Sie wollten dir deine kleine Geschichte nicht abkaufen, wie? Aber sie konnten dir nichts anhaben, denn sie hatten keine Beweise, im Gegenteil, deine Aussage sprach eher für einen Selbstmord Patridges. Denn du hast erklärt, daß Patridge an diesem Nachmittag kribbelig und nervös war und immerfort aus dem Fenster blickte, und du hast ausführlich beschrieben, wie unausgeglichen er während der letzten Wochen gewesen war.
Die Polizei mag sich mit dieser Aussage zufriedengegeben haben – aber ich nicht! Die Geschichte hat einen Haken und ist irgendwie unvollkommen, denn du hast der Polizei gegenüber mit keiner Silbe den Schatten erwähnt. Du hast etwas völlig anderes gesagt.«
Er schlug mit der geballten Faust auf den Tisch. »Menschenskind – natürlich habe ich denen etwas anderes gesagt. Ich konnte schlecht das erzählen, was ich dir gesagt habe. Sie hätten mich für verrückt gehalten.«
»Aber du warst verrückt, Joe. Sonst hättest du mir nicht eine Geschichte aufgetischt, deren wahren Sinn ich früher oder später herausfinden mußte. Ich weiß jetzt, daß Patridge nicht freiwillig aus dem Fenster gesprungen ist, sondern hinausgestoßen worden ist! Ich weiß auch von wem – von dir!«
Aus Joe Elliots Mund kam ein Röcheln. Es klang wie: »Warum?«
»Ich wünschte, ich wüßte das. Aber ich weiß es nicht. Ich kann es nur vermuten. Ich glaube, daß an deiner Geschichte, daß sich Patridge vor einem Schatten gefürchtet hat, kein Wort wahr ist. Ich glaube eher, daß du derjenige warst, der Angst gehabt hat, weil Patridge von Sitzung zu Sitzung einem Geheimnis näherkam, das du nicht preisgeben wolltest. Du wolltest etwas verbergen, aber es gelang dir nicht. Es mußte etwas sein, was Patridge als professioneller Analytiker sowieso herausgefunden hätte. Ich nehme an, daß er es an jenem Nachmittag herausgefunden hatte oder zumindest kurz davorstand. Als dir das zum Bewußtsein kam, packte dich eine panische Angst. Es gab nur eine Möglichkeit: Du mußtest ihn mundtot machen.«
»Kluges Kind. Sprich dich nur aus«, krächzte Elliot.
»Das werde ich auch tun, Joe. Ich weiß, daß du nicht verrückt bist, und ich bin sicher, daß du es niemals warst. Du hast die ganze Zeit über Theater gespielt. Aber du bist auch nicht der Mensch, der ohne weiteres einen anderen umbringt. Wenn du so etwas getan hast, dann mußt du schwerwiegende Gründe dafür gehabt haben. Patridge mußte etwas über dich herausgefunden haben, das unter gar keinen Umständen bekannt werden durfte; etwas, dessen Geheimhaltung für dich lebenswichtig ist.«
»Das wäre zum Beispiel?«
»Zum Beispiel die Tatsache, daß du meine Schwester getötet hast!« Die Worte hingen im Raum und hallten von den Wänden wider. Sie trafen sein Gesicht und verzerrten es zu einem krampfhaften Grinsen.
»Na schön«, brachte er mühsam hervor, »dann weißt du es eben.« Ich atmete schwer. »Also stimmt es …«
»Natürlich stimmt es!« stieß er heftig hervor. »Aber was du nicht wissen kannst, ist das Warum . Du weißt nichts – und du bist ihr eigener Bruder. Wie kann ich da erwarten, daß mich irgendein Fremder, der es nie miterlebt hat, versteht? Ich meine, wie Donna wirklich war … die Art, wie sie versuchte, ihre Krallen um mich zu klammern, mich hinabzog, wie sie versuchte, von mir mit Haut und Haaren Besitz zu ergreifen, ohne mich einen Augenblick zur Besinnung kommen zu lassen …
Natürlich habe ich sie geliebt. Sie wußte, wie sie einen Mann dazu bringt, sie zu lieben. Sie verstand es meisterhaft, das Feuer zu schüren. Jeder Mann, dem sie ihre Gunst schenkte, mußte nach ihr verrückt sein. Ihr beliebtes Armeausstrecken war nur der Anfang. Aber sie begnügte sich nicht damit, mich in dieser Hinsicht zu besitzen. Sie wollte
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