15 Gruselstories
keine Beweise. Darüber hinaus mußte ich Joe Elliot eine Chance lassen.
Denn es existierte immer noch ein schattenhafter Zweifel, ein Schatten namens Donna, der wieder erscheinen könnte. Vielleicht würde Donna schon heute nacht kommen, aber so lange konnte ich nicht warten.
Es war schon reichlich spät, als ich mich wieder auf den Weg zu Elliots Wohnung machte. Ich wünschte fast, ich würde ihn noch schlafend vorfinden. Aber dann richtete ich mich entschlossen auf: Ich wußte, daß ich noch heute mit Joe sprechen mußte.
Meine Schritte wurden immer langsamer, je weiter ich die Treppen hochstieg. Eine Stimme in mir sagte ›Laß ihn schlafen‹ und eine andere forderte ›Klingele‹. Ich wurde von diesem Laß ihn schlafen Klingele Laß ihn schlafen Klingele hin und her gerissen. Es zerrte an meinen Nerven.
Aber die Entscheidung wurde mir abgenommen. Als ich vor der Wohnungstür stand, öffnete sie sich, und Joe Elliot stand mir gegenüber.
Er war also wieder aufgewacht. Ich wußte nicht, ob er schon wieder zur Flasche gegriffen hatte oder nicht. Seinem Aussehen nach hätte man annehmen können, er hätte Strychnin geschluckt, und seine Stimme glich einem Reibeisen.
»Komm rein«, krächzte er. »Ich wollte gerade fortgehen.«
»Im Schlafanzug?«
»Ich habe einen Auftrag …«
»Das hat Zeit«, sagte ich.
»Ja, natürlich«, murmelte er und führte mich ins Wohnzimmer. »Setz dich, ich freue mich, daß du da bist.«
Ich setzte mich. Aber meine Hände umklammerten die Armlehnen, damit ich im Notfall rasch aufspringen könnte. Ich wartete mit dem, was ich zu sagen hatte, bis er ebenfalls Platz genommen hatte.
»Vielleicht freust du dich nicht mehr so, wenn ich dir sage, weshalb ich hergekommen bin.«
»Schieß los, egal, was es ist.«
»Das ist gar nicht egal, Joe. Ich möchte, daß du mir genau zuhörst. Es ist wichtig.«
»Nichts ist wichtig.«
»Das wird sich herausstellen. Ich habe mich heute nachmittag, nachdem ich von dir weggegangen bin, ein wenig mit dem Fall befaßt. Unter anderem habe ich den Bericht von der Leichenschau gelesen. Nach alledem muß ich mich deiner Meinung anschließen: Patridge ist aus dem Fenster gestoßen worden.«
Er horchte auf. Der apathische Ausdruck in seinem Gesicht wich einer Spur von Interesse. »Dann hatte ich also recht, nicht wahr?« begann er. » Sie hat ihn aus dem Fenster gestoßen. Welchen Beweis hast du –«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe gar keinen Beweis gefunden. Ich wollte mich lediglich über den bisher bekannten Tatbestand ausführlich informieren und sehen, ob er mit meiner eigenen Theorie über den Fall übereinstimmt. Und er stimmt überein.« Ich sprach sehr langsam und bedächtig. »Einen bestimmten Teil des Berichtes habe ich besonders aufmerksam gelesen, Joe. Und zwar deine eigene Aussage über den Besuch bei Dr. Patridge an dem Tag, als er aus dem Fenster stürzte. Diese ganze Geschichte, daß du nicht den Fahrstuhl benutzt hast, weil er gerade besetzt war, du es aber eilig gehabt hast, wieder in die Redaktion zu kommen. Und weiter, daß du dann doch nicht in die Redaktion gefahren bist, weil dir eingefallen ist, daß du deinen Hut bei Patridge vergessen hast; und daß du wieder die Treppe benutzt hast, um deinen Hut zu holen. Und wie du gerade in dem Augenblick in das Sprechzimmer gekommen bist, als sie aus dem Fenster, aus dem Patridge gesprungen war, hinausschauten.
Ich habe alles ganz genau gelesen, Joe. Auch deine Schilderung von deinem letzten Besuch bei Patridge. Du hast ausgesagt, daß Patridge an diesem Nachmittag einen sehr erreg ten Eindruck gemacht hätte. Alles schön und gut, Joe. Aber – ich war kein gewöhnlicher Leser.«
Er war jetzt mehr als interessiert; er war wachsam.
»Sie haben dir ganz schön zugesetzt,
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