15 Gruselstories
alles haben. Sie forderte jede Minute, jeden Augenblick, jeden Gedanken. Sie begann mich zu bearbeiten und versuchte, mir all die Dinge aufzuzwingen, die ich immer gehaßt habe. Ich wußte genau, was mir bevorstand: das Leben eines Sklaven. Ein Sklave für ihr Haus und ihre Kinder und ihre Zukunft.«
Als er erschöpft innehielt, fragte ich: »Warum hast du nicht mit ihr Schluß gemacht? Warum hast du die Verlobung nicht aufgehoben?«
Er stöhnte. »Ich habe es versucht. Glaubst du wirklich, daß ich es nicht versucht hätte? Aber da kennst du Donna schlecht. Sie dachte gar nicht daran, mich freizugeben. Sie war schon zu Lebzeiten eine Dämonin, eine Hexe mit geheimnisvollen Zauberkräften. Ihre Krallen hielten mich fest.
Ich konnte ihr nicht entrinnen. Ich kann mir nicht helfen, aber irgend etwas ging von ihr aus, irgendeine geheimnisvolle Macht, der ich mich nicht entziehen konnte. Denn wenn sie in meinen Armen lag, konnte ich nicht von ihr loskommen, weil ich es dann auch nicht mehr wollte.
Aber sobald ich wieder alleine war, hatte ich nur den einen Wunsch, mich so schnell wie möglich von ihr zu trennen. Du kannst es nicht wissen, aber am Tag, als die Party stattfand, wollte ich die Stadt auf Nimmerwiedersehn verlassen. Doch Donna ertappte mich. Das wäre Anlaß für eine Szene gewesen. Doch Donna machte niemals Szenen. Sie überschüttete mich mit Liebe. Drücke ich mich klar genug aus?«
Ich nickte.
»Danach wurde mir übel. Nicht körperlich übel – das wäre nicht so schlimm gewesen. Es war ein Gedanke, der meine Übelkeit erregte; die Gewißheit, daß es für alle Zeiten so bleiben würde: Ich würde versuchen, von ihr loszukommen, und sie würde mich fest umklammern. Ich würde bis an das Ende meiner Tage den Zauberkräften einer Hexe unterliegen – es sei denn, es gelänge mir, sie loszuwerden.«
Er schwieg und vergrub sein Gesicht in den Händen. Nach einer Weile richtete er sich entschlossen auf und fuhr hastig fort: »Es war dann alles sehr einfach. Ich wußte genau, hinter welcher Kurve der Straße die Schlucht lag. Der Schraubenschlüssel war im Handschuhfach. Wir sind sehr spät von dir weggefahren. Die Straße war wie ausgestorben. Als wir zu der Schlucht kamen, schlug ich Donna vor, ein wenig zu parken und den Mond anzuschauen. Ich wußte, daß Donna einem solchen Vorschlag begeistert zustimmen würde. Dann – dann – habe ich sie erschlagen.«
Er holte tief Luft, ehe er fortfuhr. »Danach habe ich die Bremsen gelockert, bin ausgestiegen und habe den Wagen auf den Abgrund zurollen lassen … Dann bin ich hinuntergeklettert und habe die angeschlagene Windschutzscheibe völlig zertrümmert. Als das alles getan war, kroch ich in den Wagen und schnitt mir mit einer der Scherben die Stirn auf. Ich brauchte später keinen Schock vorzutäuschen. Doch mein Schock hatte mehr Ähnlichkeit mit einem erleichterten Aufatmen, denn der Polizeiarzt stellte fest, daß sie wirklich tot war.«
Ich schaute lange auf meine Hände, die in meinem Schoß lagen, ehe ich langsam den Blick hob. »Und Patridge war im Begriff, all das herauszufinden, nicht wahr?« fragte ich. »Er hat dir sicher auf den Kopf zugesagt, daß dein ganzes Gerede von dem Schatten nichts weiter als ein Hirngespinst sei, das aus deinem Schuldkomplex heraus entstanden ist. Dein Schuldgefühl mir gegenüber war am größten. Deshalb war ich auch der erste, dem du das Märchen aufgetischt hast. Aber nach und nach wurde das Märchen bei dir zur fixen Idee, zur echten Wahnvorstellung, und du bist zu Patridge gegangen. Aber er konnte dich von dem Alptraum nicht befreien, weil du ihm nicht sagen wolltest, aus welchem Grund dieser Wahn entstanden war. Aber Patridges beruflicher Ehrgeiz war geweckt. Er wollte den Dingen auf den Grund gehen. Er kam
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