15 Gruselstories
Münzen. Dann zog er sogar Taschentücher aus meinen Ohren, und aus meinen Taschen lief wirklich und wahrhaftig farbiges Wasser. Als er Sachen verschwinden ließ, fürchtete ich mich vor ihm, aber er beruhigte mich lächelnd, daß das auch nur ein Trick wäre.
Am letzten Tag durfte ich bei seinem Auftritt auf der Bühne hinter dem Vorhang stehen. Durch das kleine Loch im Vorhang konnte ich herrliche Dinge sehen.
Isobel lag ausgestreckt auf einem Tisch. Dann hob er seinen Zauberstab, und Isobel schwebte in der Luft. Sie schwebte. Wirklich und wahrhaftig. Sie fiel auch nicht, als er sie langsam wieder auf den Tisch sinken ließ. Sie lächelte, und das Publikum klatschte begeistert. Dann reichte ihm Isobel nacheinander verschiedene Gegenstände. Er hob seinen Zauberstab, und die Dinge verschwanden, verwandelten sich oder explodierten. Vor meinen Augen ließ er einen großen Baum aus einer kleinen Pflanze wachsen. Dann wickelte er einen kräftigen Strick um Isobel und steckte sie in eine Kiste. Er hielt eine große elektrische Stahlsäge mit scharfen Zähnen in die Höhe und verkündete, daß er sie jetzt durchsägen würde.
Ich wäre beinahe auf die Bühne gestürzt, um das zu verhindern. Aber da mich die Bühnenarbeiter festhielten und lachten, dachte ich mir, daß auch das ein Trick sein müßte.
Als er dann aber den elektrischen Strom einschaltete und anfing, die Kiste zu zersägen, brach mir doch der Schweiß aus sämtlichen Poren. Ich starrte auf ihren Kopf, der aus der Kiste herausragte. Er sägte sie mitten durch. Aber sie lächelte und war überhaupt nicht tot.
Dann deckte er ihren Kopf zu und nahm statt der Säge wieder den Zauberstab in die Hand. Und plötzlich sprang sie aus der Kiste heraus und war wieder in einem Stück. Ich hatte noch nie so etwas Wunderbares gesehen. Ich glaube, darum habe ich mich auch entschlossen, mit den beiden zu ziehen.
Nach der Vorstellung habe ich mich noch einmal bei ihm dafür bedankt, daß er mir das Leben gerettet hat. Dann sagte ich ihm, wer ich bin und daß ich nicht wüßte, wohin ich gehen sollte, und daß ich gerne für ihn umsonst arbeiten würde – egal was –, wenn ich nur mitfahren konnte. Ich sagte ihm natürlich nicht, daß ich eigentlich nur aus dem Grunde bei ihnen bleiben wollte, um immer in Isobels Nähe sein zu dürfen. Das hätte ihm wahrscheinlich gar nicht gepaßt – und ich glaube, ihr auch nicht. Ich wußte inzwischen, daß sie seine Frau war.
Es war alles reichlich wirr, was ich ihm gesagt hatte, aber er schien mich verstanden zu haben.
»Das wäre vielleicht etwas für Sie«, meinte er sinnend. »Wir brauchen jemanden, der sich um meine ganzen Bühnenutensilien kümmert. Wir würden dadurch viel Zeit sparen. Sie könnten auch immer alles auf- und abbauen.«
»Papperlapapp«, schnaufte Isobel. Ich verstand nicht, was sie meinte, aber Sadini sehr wohl. Vielleicht war es eine Art Zaubersprache.
»Hugo ist schon in Ordnung«, murmelte er. »Ich brauche wirklich jemanden, Isobel, jemanden, auf den ich mich verlassen kann. Du verstehst schon, was ich meine.«
Ihr Gesicht verfinsterte sich. »Hör einmal zu, du Schmierenkomödiant –«
»Sachte, sachte, Isobel.« Ihr Gesicht glättete sich unter seinen durchdringenden Blicken, und sie versuchte ein schwaches Lächeln. »Schon gut, Vic, wie du willst. Aber vergiß nie, daß das deine fabelhafte Idee und nicht meine war.«
»Abgemacht.« Sadini kam auf mich zu. »Sie kommen mit uns«, sagte er. »Ab sofort sind Sie mein Assistent.«
So kam es.
Und so war es lange, lange Zeit. Wir waren in Toledo, in Detroit, Indianapolis, in Chicago und Milwaukee und in St. Paul und – was weiß ich, in welchen Städten noch. Für mich waren sie alle gleich. Wenn wir mit dem Zug irgendwo ankamen, fuhren Sadini und Isobel in
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