15 Gruselstories
ein Hotel, während ich aufpaßte, wie die Gepäckwagen entladen wurden. Ich kümmerte mich darum, daß die Bühnenutensilien (wie Sadini das Gepäck nannte) sorgfältig auf einen Lastwagen geladen wurden. Der Fahrer lud die Sachen vor dem jeweiligen Theater ab, und ich schleppte sie in die Garderobe oder hinter die Bühne. Dann packte ich alles aus. Das war meine Arbeit.
Ich schlief im Theater, meist in der Garderobe, und aß mit Sadini und Isobel. Das heißt, meist nur mit Sadini, denn sie schlief sehr lange.
Außerdem glaube ich, daß sie sich zu Anfang mit mir geschämt hat. Ich konnte es ihr nicht einmal übelnehmen. So, wie ich mit meinem alten Anzug, dem Buckel und den schielenden Augen aussah!
Sadini hat mir nach einer Weile natürlich einen neuen Anzug gekauft. Er, Sadini, war gut zu mir. Er erzählte mir viel von seiner Nummer und seinen Tricks, und er redete auch viel über Isobel. Ich konnte gar nicht verstehen, wie ein so netter Mann solche Sachen über sie sagen konnte.
Obwohl sie mich offensichtlich nicht leiden konnte und sich auch von Sadini fernhielt, wußte ich doch, daß sie ein Engel war. Sie war genauso schön wie die Engel auf den Bildern, die uns die Schwestern im Heim immer gezeigt hatten. Es war nur natürlich, daß sich Isobel nicht für so häßliche Leute wie mich oder Sadini, mit seinen schwarzen Augen und seinem schwarzen Schnurrbart, interessieren konnte. Ich konnte gar nicht verstehen, warum sie ihn überhaupt jemals geheiratet hatte, wo sie doch so hübsche Männer wie George Wallace finden konnte.
Sie sah George Wallace immer, denn er trat auch in der Show auf, mit der wir herumreisten. Er sang und tanzte, war sehr groß und hatte blonde Haare und blaue Augen. Wenn er auftrat, stand Isobel an der Seite der Bühne und schaute ihm beim Tanzen und Singen zu. Sie unterhielten sich häufig und lachten zusammen. Und eines Tages, als Isobel sagte, sie hätte Kopfschmerzen und würde ins Hotel gehen, sah ich sie beide in George Wallaces Garderobe verschwinden.
Ich hätte das vielleicht Sadini nicht erzählen sollen, aber es war mir so rausgerutscht. Er wurde sehr wütend und fragte mir die Seele aus dem Leib. Dann forderte er mich auf, den Mund zu halten und die Augen aufzusperren.
Ich weiß jetzt, daß es falsch war, mich darauf einzulassen, aber damals dachte ich nur daran, daß Sadini immer so nett zu mir war, und daß ich ihm auch einmal einen Gefallen tun müßte. Ich ließ also Isobel und George Wallace nicht aus den Augen. Und eines Tages, als Sadini zwischen den Vorstellungen in die Stadt gefahren war, sah ich, wie sie wieder in Georges Garderobe verschwanden.
Ich schlich mich auf Zehenspitzen zu der Tür und guckte durch das Schlüsselloch. Auf dem Gang war niemand, und darum konnte auch niemand sehen, wie ich rot wurde.
Denn Isobel lag in George Wallaces Armen und küßte ihn.
Dann schob er sie von sich. »Sei gescheit, Schatz, und laß uns hier nicht die Zeit vertrödeln. Wenn der Vertrag abgelaufen ist, gibt es nur noch dich und mich. Wir verduften und lassen uns an der Küste nieder und …«
»Du hast ein sonniges Gemüt«, sagte Isobel verdrießlich. »Verglichen mit dir bin ich eine Null, Georgie-Boy, aber ich kann immerhin beurteilen, was eine gute Nummer ist und was nicht. Vic ist ein Star. Sein Auftritt ist eine Sensation. Du tingelst unter ›ferner liefen‹. Daran wird sich auch nichts ändern. Spaß ist Spaß, aber ich habe keine Lust, bei diesem Geschäft den kürzeren zu ziehen.«
»Vic!« George Wallace schnitt eine Grimasse. »Was ist an seiner Nummer schon dran? Ein Schnurrbart und ein paar Kisten mit faulem Zauber. Das kann jeder nachmachen. Ich auch. Gib mir seinen Zauberstab und –« Er zog sie wieder an sich. »Du kennst doch weiß Gott seine ganzen Tricks. Wir –
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